Berechnungsparameter
Dieser Abschnitt steuert, ob der Lastfall bzw. die Lastkombination nach Theorie I., II. oder III. Ordnung berechnet wird. Mit der Option Durchschlagproblem wird die Stabilitätsanalyse nach Theorie III. Ordnung im Hinblick auf das Durchschlagversagen des Gesamttragwerks geführt.
Für Lastfälle ist die lineare Berechnung nach I. Ordnung, für Lastkombinationen die nichtlineare Berechnung nach Theorie II. Ordnung voreingestellt.
Hinweis
Wenn das Modell Seilstäbe enthält, ist die Berechnung nach III. Ordnung fest voreingestellt.
Bei der „baustatischen“ Theorie II. Ordnung wird das Gleichgewicht am verformten System ermittelt. Die Verformungen werden dabei als klein angenommen. Sind Normalkräfte im System vorhanden, wirken sie sich auf einen Zuwachs der Biegemomente aus. Die Berechnung nach Theorie II. Ordnung gemäß Timoshenko [14] kommt also nur dann zum Tragen, wenn die Normalkräfte wesentlich größer sind als die Querkräfte. Das zusätzliche Biegemoment ΔM ergibt sich aus der Längskraft N und dem elastischen Hebelarm eel.
Bei druckbelasteten Systemen kommt es zu einem überlinearen Zusammenhang zwischen Beanspruchung und Schnittgrößen. In der Regel muss auch mit γ-fachen Einwirkungen gerechnet werden.
Die Normalkraftdifferenz in den Iterationen stellt das Abbruchkriterium dar. Bei Stabelementen wird die für Theorie II. Ordnung maßgebende, steifigkeitsändernde Normalkraft als konstant über den gesamten Stab angenommen. Sobald ein bestimmter Wert der Normalkraftdifferenz unterschritten wird, endet die Berechnung. Diese Abbruchschranke kann im Register Globale Berechnungsparameter im Abschnitt Genauigkeit und Toleranz beeinflusst werden.
Bei der nichtlinearen Berechnung nach Theorie II. Ordnung werden die Annahmen der Elastizitätstheorie I. Ordnung mit folgenden Ergänzungen beibehalten:
- Es treten keine plastischen Verformungen auf.
- Die äußeren Kräfte bleiben richtungstreu.
-
Bei Stäben mit nicht konstanter Längskraft
(z. B. Stützen) wird zur Ermittlung der Stabkennzahl ε der Mittelwert der Normalkraft N angesetzt.
Die Theorie III. Ordnung („Theorie großer Verformungen“) berücksichtigt in der Analyse der Schnittkräfte Longitudinal- und Transversalkräfte. Wird die Berechnung nach Theorie III. Ordnung gewählt, unterliegen alle Flächen und Stäbe diesem Berechnungsansatz.
Hinweis
Nach jedem Iterationsschritt wird die Steifigkeitsmatrix für das verformte System gebildet. Dabei bestehen erhebliche Unterschiede zwischen lokal und global definierten Lasten: Wirkt z. B. auf eine Decke eine global in Z definierte Flächenlast, behält sie ihre Richtung bei, wenn sich die finiten Elemente verdrehen. Wenn die Last jedoch in Richtung der lokalen Flächenachse z wirksam ist, verdreht sie sich auf jedem Element entsprechend der Verdrehung des Elements.
Es wird eine Stabilitätsanalyse im Hinblick auf das Durchschlagversagen durchgeführt.
Bei dieser modifizierten Berechnung nach Theorie III. Ordnung gemäß Newton-Raphson wird der Einfluss der Normalkräfte für die Änderungen der Schub- und Biegesteifigkeit berücksichtigt.
Dabei wird die tangentiale Steifigkeitsmatrix in jedem Iterationsschritt mit gespeichert.
Im Falle von Singularitäten
Es stehen sechs Methoden zur Auswahl, das nichtlineare algebraische Gleichungssystem zu lösen:
Bei Theorie III. Ordnung ist das Verfahren nach Newton-Raphson voreingestellt. Dabei wird das nichtlineare Gleichungssystem numerisch über iterative Näherungen mit Tangenten gelöst. Die tangentiale Steifigkeitsmatrix ermittelt sich als Funktion des aktuellen Verformungszustands; sie wird in jedem Iterationszyklus invertiert. Mit dieser Methode wird in den meisten Fällen eine schnelle (quadratische) Konvergenz erreicht.
Das Konvergenzverhalten kann im Register Globale Berechnungsparameter über die Anzahl der Laststeigerungen beeinflusst werden.
Bei dieser Methode wird zunächst das Verfahren nach Picard verwendet (siehe unten). Nach einigen Iterationen wird dann auf die Newton-Raphson-Methode umgestellt. Der Grundgedanke dieses Ansatzes liegt darin, die relativ unempfindliche Picard-Methode für die ersten Iterationsschritte zu nutzen, um Instabilitätsmeldungen zu vermeiden. Mit dieser anfänglichen Näherung wird dann das schnelle Verfahren nach Newton-Raphson genutzt, um den endgültigen Gleichgewichtszustand zu finden.
Im Register Globale Berechnungsparameter, Abschnitt Diverse Einstellungen kann festgelegt werden, welchen Anteil die Iterationen nach Picard beim kombinierten Verfahren belegen (siehe Bild 7.27).
Die Methode nach Picard – auch Sekantenverfahren genannt – kann als finite Differenzennäherung der Newtonmethode verstanden werden. Es wird die Differenz zwischen dem aktuellen und dem ursprünglichen Iterationslauf im aktuellen Laststeigerungsschritt betrachtet.
Diese Methode konvergiert meist langsamer als das Berechnungsverfahren nach Newton-Raphson. Sie erweist sich jedoch auch unempfindlicher gegenüber nichtlinearen Problemen, wodurch die Berechnung stabiler wird.
Diese Variante des Newton-Raphson-Verfahrens steht für Untersuchungen nach III. Ordnung zur Auswahl. Dabei wird die Steifigkeitsmatrix nur einmal im ersten Iterationsschritt gebildet und dann in allen folgenden Berechnungsschlaufen benutzt.
Die Berechnung nach dieser Methode verläuft deshalb schneller, jedoch nicht so stabil wie die Berechnung nach dem normalen oder dem modifizierten Newton-Raphson-Verfahren.
Diese Methode wird zur Lösung von Durchschlagproblemen benutzt (siehe Abschnitt Berechnungstheorie oben), bei denen ein Bereich mit Instabilität überwunden werden muss. Wenn eine Instabilität vorliegt und die Steifigkeitsmatrix nicht invertiert werden kann, wird die Steifigkeitsmatrix des letzten stabilen Iterationsschritts verwendet. Es wird mit dieser Matrix weitergerechnet, bis wieder der Stabilitätsbereich erreicht ist.
Die letzte Methode eignet sich für Berechnungen nach Theorie III. Ordnung und zur Lösung von Durchschlagproblemen. Bei diesem Ansatz wird ein künstlicher Zeitparameter eingeführt. Unter Berücksichtigung von Trägheit und Dämpfung lässt sich die Aufgabe dann als dynamisches Problem behandeln. Dieser Ansatz benutzt die explizite Zeit-Integrationsmethode; die Steifigkeitsmatrix wird dabei nicht invertiert. Für eine Berechnung mit dynamischer Relaxation darf kein Teil des Modells ein spezifisches Gewicht von null aufweisen.
Diese Methode schließt auch die Rayleigh-Dämpfung ein, die über die Konstanten α und β nach folgender Gleichung mit den Ableitungen nach der Zeit definiert werden kann:
mit
- M : Konzentrierte (diagonale) Massenmatrix
-
C : Diagonale Dämpfungsmatrix C = αM + βdiag[K11(u),K22(u),...,Knn(u)] -
K: Steifigkeitsmatrix -
f : Vektor der äußeren Kräfte -
u : Diskretisierter Verschiebevektor
Nach dem Anhaken des Kontrollfeldes kann im Eingabefeld ein Faktor angegeben werden, mit dem alle im Lastfall bzw. in der Lastkombinationen enthaltenen Lasten multipliziert werden sollen (gilt nicht für Imperfektionen). Dieser Faktor spiegelt sich auch in den Lastvektoren und -werten der Grafik wider. Grundsätzlich sind auch negative Faktoren zulässig.
In älteren Normen besteht die Forderung, Belastungen global mit einem Faktor zu multiplizieren, um die Effekte nach Theorie II. Ordnung für Stabilitätsnachweise zu vergrößern. Die Bemessung wiederum hat mit den Gebrauchslasten zu erfolgen. Beide Forderungen können erfüllt werden, indem ein Faktor größer 1 eingegeben und das Kontrollfeld Ergebnisse durch Lastfaktor zurückdividieren aktiviert wird.
Für Untersuchungen nach aktuellen Normen sollte die Belastung nicht mit Faktoren bearbeitet werden. Stattdessen sind die Teilsicherheits- und Kombinationsbeiwerte bei der Überlagerung in den Last- oder Ergebniskombinationen anzusetzen.
Über die Kontrollfelder ist es möglich, die Steifigkeitsfaktoren der Materialien (siehe Kapitel 4.3), Querschnitte (siehe Kapitel 4.13), Stäbe (siehe Kapitel 4.17) und Flächen (siehe Kapitel 4.4) jeweils in der Berechnung anzusetzen oder zu deaktivieren.
Hinweis
In folgender FAQ finden Sie weitere Hinweise zu dieser Funktion:
https://www.dlubal.com/de/support-und-schulungen/support/faq/004212
Beim Anhaken der Kontrollfelder Steifigkeiten modifizieren, Zusatzoptionen und Deaktivieren werden weitere Register zugänglich. Dort können spezifische Vorgaben für Steifigkeiten (siehe Kapitel 7.3.1.2) und Objekte (siehe Kapitel 7.3.1.4) getroffen bzw. die Anfangsverformungen eines Lastfalls oder die Ergebnisse eines Zusatzmoduls für die Berechnung (siehe Kapitel 7.3.1.3) aktiviert werden.
Zugkräfte haben auf ein vorverformtes System eine entlastende Wirkung. Dadurch wird die Vorverformung verringert und das System stabilisiert.
Es gibt unterschiedliche Auffassungen, wie entlastend wirkende Zugkräfte zu berücksichtigen sind. Die Normen enthalten Bestimmungen, nach denen entlastende Wirkungen mit einem geringeren Teilsicherheitsfaktor als belastende Wirkungen berücksichtigt werden müssen.
Stabweise variierende Teilsicherheitsfaktoren sind kaum mit vertretbarem Rechenaufwand zu realisieren. RFEM bietet deshalb die Möglichkeit an, Zugkräfte bei der Berechnung nach Theorie II. Ordnung generell zu null zu setzen. Dieser Ansatz liegt auf der sicheren Seite. Um diese Möglichkeit zu nutzen, muss das Häkchen aus dem Kontrollfeld entfernt werden.
Dagegen steht das Argument, dass die Normen Einwirkungen und keine inneren Kräfte behandeln. Deshalb sei für die Einwirkung als Ganzes zu entscheiden, ob sie be- oder entlastend wirkt. Wenn folglich eine belastende Einwirkung in gewissen Bereichen des Modells eine entlastende Wirkung hat, könne sie durchaus berücksichtigt werden. Sollen daher die Normalkräfte nach diesem Ansatz unverändert in die Berechnung eingehen, muss das Kontrollfeld angehakt sein (Voreinstellung).
Die entlastende Wirkung der Zugkräfte sollte in den meisten Fällen wie z. B. bei Hallen mit Verbänden oder biegebeanspruchten Tragwerken berücksichtigt werden. Bei unterspannten Trägern kann die Zugkraftentlastung u. U. jedoch zu einer unerwünschten Reduzierung der Verformungen und Schnittgrößen führen.
Die Option Schnittgrößen auf verformte Struktur beziehen ermöglicht es bei nichtlinearen Berechnungen, die Normalkräfte, Querkräfte sowie Biege- und Torsionsmomente von Stäben auf die gedrehten Koordinatensysteme des verformten Systems bezogen auszugeben. Es stehen drei Kontrollfelder für die Schnittgrößenarten Normalkräfte, Querkräfte und Momente zur Verfügung.
Über dieses Kontrollfeld kann versucht werden, ein instabiles Modell berechenbar zu machen: Es werden intern kleine Federn angesetzt, die das Modell für die erste Iteration stabilisieren. Nach dem Erreichen eines stabilen Anfangszustandes werden diese Federn für die folgenden Iterationen wieder entfernt.
Für jeden Lastfall und jede Lastkombination kann eine individuelle Anzahl an Laststeigerungsschritten festgelegt werden. Damit verliert die im Register Globale Berechnungsparameter vorgegebene Anzahl ihre Gültigkeit (siehe Kapitel 7.3.3).