In diesem Fachbeitrag wird die direkte Verformungsberechnung eines Stahlbetonbalkens durchgeführt, wobei zusätzlich die Langzeiteffekte von Kriechen und Schwinden berücksichtigt werden. Anhand eines Beispiels wird gezeigt, wie diese Effekte die Verformung eines Bauteils beeinflussen und in die Berechnung einfließen. Es wird erläutert, welche Eingaben in RFEM 6 notwendig sind, um alle relevanten Faktoren korrekt zu berücksichtigen und wie sich der Verteilungsfaktor auf die Steifigkeit des Bauteils auswirkt.
Eingabedaten
Geometrie, Bewehrung und Belastung sind durch die folgenden Parameter beschrieben:
System
- Trägertyp: Einfeldträger
- Spannweite: l = 4,210 m
Querschnitt
- Plattendicke: h = 20 cm
- Plattenbreite b = 100 cm
- Material: Beton C20/25 mit Ecm = 30,000 MN/m² und B 500A
- Bewehrung: As,-z,(unten) = 4.45 cm² mit 7 ∅ 9 und d1 = 30 mm
- Nutzhöhe der unteren Bewehrung: ddef,+z (unten) = 17 cm
Ständige Lasten
- Eigengewicht: gs = 0,20 m ⋅ 1m ⋅ 25 kN/m³ = 5,00 kN/m
- Belag und Putz: gbp = 1,50 kN/m
- Summe: gk,gesamt = 6,5 kN/m
Veränderliche Lasten
- Nutzlast (Büro): qb = 2,00 kN/m mit ψ2 = 0,3
- Trennwandausgleich: qt = 1,25 kN/m mit ψ2 = 1,0
Quasi-ständige Last
- 6,5 kN/m + 0,3 ⋅ 2,00 kN/m + 1,0 ⋅ 1,25 kN/m = 8,35 kN/m
Bemessungsbiegemoment für Durchbiegungsberechnung
- My,Ed,def = 8,35 kN/m ⋅ (4,21 m)² / 8 = 18,50 kNm
Vorwerte der Verformungsberechnung
- Mittlerer E-Modul des Betons: Ecm = 30.000 MN/m²
- Längsbewehrungsgrad: ρ = As / Ac = 4,45 cm² / ( 20 cm ⋅ 100 cm) = 0,223 %
- Schwinddehnung: εsh = -0,5 ‰
- Kriechzahl: φ = 2
Die Option „Erweiterte zeitabhängige Kennwerte des Betons“ muss in den Einstellungen des Querschnitts aktiviert sein, um die Kriechzahl benutzerdefiniert festlegen zu können.
Im nun verfügbaren Reiter sind zunächst die Haken bei „Kriechen“ und „Schwinden“ zu setzen, um die „Grundwerte der zeitabhängigen Kennwerte“ einsehen und bearbeiten zu können. Die Kriechzahl φ wurde hier durch die Eingabe von φ0, ϵcd,0 und ϵca(∞) vorgegeben.
Kriechen
Die Kriecheffekte werden durch eine Reduktion des Elastizitätsmoduls Ec des Betons erfasst.
Der wirksame Elastizitätsmodul Ec,eff berücksichtigt die Langzeiteffekte des Betons, insbesondere das Kriechen. Das Kriechen beschreibt die langfristige Dehnung des Betons unter einer konstanten Belastung. Durch die Kriechzahl φ wird der Elastizitätsmodul Ecm (mittlerer Elastizitätsmodul des Betons) reduziert, sodass die tatsächliche Steifigkeit des Betons über einen langen Zeitraum abgebildet wird. Dieser Wert wird in weiteren Berechnungen wie beim Trägheitsmoment oder dem Verhältnis der Steifigkeiten verwendet.
Ec,eff = 30.000 MN/m² / ( 1 + 2 ) = 10.001,2 MN/m²
Wirksamer Schubmodul des Betons Gc,eff
Der wirksame Schubmodul beschreibt die Widerstandsfähigkeit des Betons gegen Schubverformungen und wird mit dem Verhältnis von Querdehnung zur Längsdehnung (der Querdehnzahl v des Betons) bestimmt. Dieser Wert ist insbesondere bei Berechnungen von Querschnittsverformungen und bei Schubnachweisen wichtig.
Gc,eff = 10.001,2 MN/m² / ( 2 ⋅ ( 1 + 0,2 ) ) = 4.167,180 MN/m²
Verhältnis der E-Module für ungerissenen Zustand (Langzeitbelastung) αe,l
Das Verhältnis αe,l gibt an, wie viel steifer der Stahl im Vergleich zum Beton unter Langzeitbelastung ist. Es ist der Elastizitätsmodul des Stahls, Ec,l der wirksame Elastizitätsmodul des Betons im ungerissenen Zustand (identisch mit Ec,eff). Da Beton durch Langzeiteffekte wie Kriechen eine geringere Steifigkeit aufweist, ist der Wert von αe,l in diesem Zustand höher. Dieses Verhältnis wird bei der Berechnung des Schwerpunkts und der effektiven Querschnittswerte verwendet.
αe,l = 2 ⋅ 105 MN/m² / 10.001,2 MN/m² = 20
Verhältnis der E-Module für ungerissenen Zustand (Kurzzeitbelastung) αe,I,st
Das Verhältnis αe,I,st beschreibt das Verhältnis der Steifigkeit von Stahl zu Beton unter Kurzzeitbelastung. Im Gegensatz zu αe,l wird hier der mittlere Elastizitätsmodul Ecm verwendet, ohne Berücksichtigung von Kriecheffekten. Dies spiegelt die tatsächliche Belastungssituation wider, wenn der Beton nur kurzfristig belastet wird. Dieser Wert ist insbesondere für den Nachweis von Kurzzeitbelastungen relevant.
αe,I,st = 2 ⋅ 105 MN/m² / 30.000 MN/m² = 6,67
Verhältnis der E-Module für gerissenen Zustand αe,II
Im gerissenen Zustand wird der Beton in der Zugzone als nicht tragfähig betrachtet. Das Verhältnis αe,II berücksichtigt dies, indem nur der wirksame Elastizitätsmodul Ec,eff des Betons einbezogen wird. Dieser Wert zeigt, dass die Steifigkeit des Stahls im Vergleich zum Beton im gerissenen Zustand höher ist, was die Bedeutung der Bewehrung in solchen Fällen unterstreicht.
αe,II = 2 ⋅ 105 MN/m² / 10.001,2 MN/m² = 20,00
Geometrische Parameter ungerissen
Der Schwerpunktabstand des ideellen Querschnitts im ungerissenen Zustand unter Langzeitbelastung, zI, beschreibt die Lage des Schwerpunkts unter Berücksichtigung der Betonfläche und der Bewehrung. Dabei wird die Wirkung der Bewehrung mit einem Umrechnungsfaktor αe,l skaliert, der das Verhältnis zwischen dem Elastizitätsmodul des Stahls und dem wirksamen Elastizitätsmodul des Betons darstellt. Dies ist besonders wichtig, da Langzeitbelastungen, wie das Kriechen, den Beton schwächen. Der Schwerpunkt beeinflusst die Berechnung von Momenten und Verformungen im Querschnitt und ist somit ein zentraler Parameter für die statische Analyse.
Die wirksame Querschnittsfläche im ungerissenen Zustand bei Langzeitbelastung, AI, stellt die effektive Fläche dar, die Lasten trägt. Neben der Betonfläche wird auch die Bewehrungsfläche berücksichtigt, die um den Faktor αe,l ergänzt wird. Dadurch wird die Steifigkeit des Querschnitts realistischer abgebildet. Dieser Wert ist entscheidend für die Bewertung der Tragfähigkeit und die Berechnung der Verformung des Bauteils.
AI = 1.000 mm ⋅ 200 mm + 20 ⋅ ( 4,45 cm² + 0 cm² ) = 2.089,05 cm²
Das effektive Trägheitsmoment des ideellen Schwerpunkts im ungerissenen Zustand unter Langzeitbelastung, II, beschreibt die Widerstandsfähigkeit des Querschnitts gegen Biegung. Es berücksichtigt sowohl die Betonfläche als auch die Bewehrung, wobei letztere durch ihre Position relativ zum Schwerpunkt zusätzliche Momente erzeugt. Dieses Trägheitsmoment ist ein zentraler Faktor für die Verformungsberechnung und zeigt, wie stark der Querschnitt Biegemomenten standhalten kann.
Die Exzentrizität des ideellen Querschnittsschwerpunkts im ungerissenen Zustand, eI, gibt die Abweichung des Schwerpunkts vom geometrischen Mittelpunkt des Querschnitts an. Diese Exzentrizität ist wichtig, da sie die Momente beeinflusst, die im Querschnitt entstehen, was sich direkt auf die Verformungen auswirkt.
eI = 103 mm - 200 mm / 2 = 3 mm
Der Schwerpunktabstand des ideellen Querschnitts im ungerissenen Zustand unter Kurzzeitbelastung, zI,st, beschreibt die Schwerpunktlage unter Belastungen, die keine Kriech- oder Schwindeffekte berücksichtigen. Der Umrechnungsfaktor αe,I,st, der in der Kurzzeitberechnung verwendet wird, ist daher kleiner als bei Langzeitbelastungen. Dieser Schwerpunktabstand ist entscheidend für die Verteilung der Lasten und die Bestimmung von Momenten bei kurzfristigen Belastungen.
Die wirksame Querschnittsfläche im ungerissenen Zustand bei Kurzzeitbelastung, AI,st, ähnelt der Fläche AI, wird jedoch durch den Umrechnungsfaktor αe,I,st angepasst, der keine Langzeiteffekte berücksichtigt. Dies führt zu einer geringeren Fläche und hat Auswirkungen auf die Berechnung der Tragfähigkeit bei kurzfristigen Lasten.
AI,st = 1000 mm ⋅ 200 mm + 6,67 ⋅ ( 4,45 cm² + 0 cm² ) = 2.029,69 cm²
Das effektive Trägheitsmoment des ideellen Schwerpunkts im ungerissenen Zustand bei Kurzzeitbelastung, II,st, stellt die Widerstandsfähigkeit des Querschnitts gegen Biegung ohne den Einfluss von Langzeiteffekten dar. Es berücksichtigt sowohl die Beton- als auch die Bewehrungsfläche und ihre Abstände vom Schwerpunkt, was für die Berechnung der Verformung unter kurzfristigen Lasten entscheidend ist.
Geometrische Parameter gerissen
Der Schwerpunktabstand des ideellen Querschnitts im gerissenen Zustand, zII, berücksichtigt die veränderte Tragfähigkeit des Querschnitts, da die Betonzugzone nach Rissbildung keine Lasten mehr trägt. Die Lage des Schwerpunkts wird neu berechnet, wobei nur die Druckzone des Betons und die Bewehrung berücksichtigt werden. Dieser Parameter ist zentral für die Analyse des Querschnitts nach dem Riss und beeinflusst die Tragfähigkeit und Verformung.
Die wirksame Querschnittsfläche im gerissenen Zustand, AII, stellt die verbleibende Fläche nach Rissbildung dar. Hier wird nur noch die Beton-Druckzone und die Bewehrungsfläche berücksichtigt, was die Steifigkeit des Querschnitts stark reduziert. Dieser Wert ist für die Tragfähigkeitsanalyse bei gerissenen Querschnitten entscheidend.
AII = 1.000 mm ⋅ 46,8 mm + 20 ⋅ ( 4,45 cm² + 0 ) = 557,41 cm²
Das effektive Trägheitsmoment des ideellen Schwerpunkts im gerissenen Zustand, III, beschreibt die Widerstandsfähigkeit gegen Biegung nach der Rissbildung. Da die Zugzone nicht mehr tragfähig ist, reduziert sich das Trägheitsmoment erheblich. Dieser Wert ist ein wesentlicher Faktor für die Berechnung der Verformung und die Beurteilung der Tragfähigkeit gerissener Querschnitte.
Die Exzentrizität des ideellen Querschnittsschwerpunkts im gerissenen Zustand, eII, beschreibt die Verschiebung des Schwerpunkts aufgrund der Rissbildung. Diese Verschiebung beeinflusst die entstehenden Momente und die Verformung des Querschnitts und ist daher ein wichtiger Parameter für die statische Analyse.
eII = 46,8 mm - 200 mm / 2 = -53,2 mm
Schwinden
Die Normalkraft durch Schwinden, Nsh, entsteht, weil die Bewehrung die durch das Schwinden verursachte Dehnung des Betons nicht mitträgt und somit Kräfte aufnimmt. Diese Kräfte resultieren aus der Interaktion zwischen der Betonzugkraft und der Reaktion der Bewehrung. Der berechnete Wert zeigt, wie stark die Bewehrung durch das Schwinden belastet wird. An dieser Stelle wird die hier indirekt benutzerdefinierte Schwinddehnung εsh = -0,5 ‰ verwendet.
Nsh = -2 ⋅ 105 MN/m² ⋅ ( -0,000.5 ) ⋅ ( 4,45 cm² + 0,00 ) = 44,532 kN
Der Exzentrizität der Schwindkraft zum Schwerpunkt des ideellen Querschnitts im ungerissenen Zustand, esh,I, beschreibt die Lage der resultierenden Schwindkraft relativ zum Schwerpunkt des Querschnitts. Eine größere Exzentrizität führt zu höheren Momenten und größeren Verformungen.
esh,I = ( 4,45 cm² ⋅ 170 mm + 0 ) / ( 4,45 cm² + 0 ) - 103 mm = 67 mm
Das Schwindmoment für ungerissenen Zustand, Msh,I, resultiert aus der Schwindkraft Nsh und der Exzentrizität esh,I. Es stellt dar, wie die Schwindkraft durch ihre Wirkung auf den Querschnitt ein Moment erzeugt. Dieses Moment beeinflusst die Verformungen und Spannungen im Querschnitt maßgeblich und muss bei der Bemessung berücksichtigt werden.
Msh,I = 44,532 kN ⋅ 67 mm = 2,98 kNm
Die Krümmungszahl für ungerissenen Zustand ksh,I gibt an, wie das Schwindmoment im Verhältnis zur Normalkraft und zur Exzentrizität wirkt. Sie zeigt, wie die Verteilung der Schwindkraft und der Schwerpunktlage die Verformungen des Bauteils beeinflussen. Dieser Wert ist entscheidend, um die Verformungen des Querschnitts durch Schwinden vollständig zu beschreiben.
ksh,I = ( 2,98 kNm + 18,5 kNm - 0 ) / ( 18,50 kNm – 0 ) = 1,161
Die Exzentrizität der Schwindkraft zum Schwerpunkt des ideellen Querschnitts im gerissenen Zustand, esh,II, beschreibt die Lage der resultierenden Schwindkraft im Verhältnis zum Schwerpunkt des Querschnitts im gerissenen Zustand. Dabei werden die Flächenmomente der Bewehrung, As,def, +z,(unten) und As,def, -z,(oben), in Bezug auf deren Lage, def, +z,(unten) und def, -z,(oben), berücksichtigt und durch die gesamte Bewehrungsfläche dividiert. Vom Ergebnis wird der Schwerpunktabstand des gerissenen Querschnitts, zII, abgezogen. Diese Exzentrizität beeinflusst das Schwindmoment, da eine größere Exzentrizität zu einem größeren Moment führt.
esh,II = ( 4,45 cm² ⋅ 170 mm + 0 ) / ( 4,45 cm² + 0 ) – 46,8 mm = 123,2 mm
Das Biegemoment durch die Normalkraft Nsh für den gerissenen Zustand, Msh,II, ergibt sich durch die Multiplikation der Schwindkraft Nsh mit der zuvor berechneten Exzentrizität esh,II. Dieses Moment beschreibt die zusätzliche Biegebeanspruchung, die durch die Schwindkraft auf den Querschnitt wirkt. Besonders im gerissenen Zustand, in dem die Betonzugzone keine Lasten mehr trägt, ist dieser Wert relevant.
Msh,II = 44,532 kN ⋅ 123,2 mm = 5,48 kNm
Die Krümmungszahl für den gerissenen Zustand, ksh,II, gibt an, wie stark die Verformung des Querschnitts durch das Schwindmoment und die übrigen wirkenden Kräfte beeinflusst wird. Dabei werden das Schwindmoment Msh,II, das vorhandene Biegemoment My,Ed,def sowie die Normalkraft NEd und deren Exzentrizität eII berücksichtigt. Die Berechnung setzt das resultierende Moment ins Verhältnis zum Moment ohne Schwinden und liefert so eine Maßzahl für den Einfluss der Schwindkraft.
ksh,II = ( 5,48 kNm + 18,50 kNm - 0 ) / ( 18,50 kNm - 0 ) = 1,296
Verformung des Querschnitts
Die Verformung des Querschnitts beschreibt die durch äußere Einwirkungen verursachte Krümmung eines Bauteils unter Berücksichtigung seiner Material- und Zustandsparameter.
Die Berechnung der Verformung des Querschnitts im ungerissenen Zustand, κI, beschreibt die Krümmung des Querschnitts, die durch das Schwindmoment und die elastischen Eigenschaften des Materials verursacht wird. Dabei wird das Schwindmoment My,Ed,def berücksichtigt, ebenso wie die Normalkraft NEd und deren Exzentrizität eI. Diese Größen werden mit dem Faktor ksh,I multipliziert, der den Einfluss des Schwindmoments im ungerissenen Zustand beschreibt. Im Nenner stehen der wirksame Elastizitätsmodul des Betons, Ec,eff, und das Trägheitsmoment des ungerissenen Querschnitts, II, welche die Steifigkeit des Querschnitts bestimmen.
κI = ( 1,161 ⋅ ( 18,50 kNm - 0) ) / ( 10.001,2 MN/m² ⋅ 70.844,30 cm⁴ )
= 3 mrad/m
Die Berechnung der Verformung des Querschnitts im gerissenen Zustand, κII, zeigt die Krümmung des Querschnitts nach der Rissbildung, unter Berücksichtigung des Schwindmoments und der reduzierten Tragfähigkeit des gerissenen Querschnitts. Hierbei werden das Schwindmoment My,Ed,def, die Normalkraft NEd und deren Exzentrizität eII mit dem Faktor ksh,II multipliziert, der den Einfluss des Schwindmoments im gerissenen Zustand beschreibt. Im Nenner stehen der wirksame Elastizitätsmodul des Betons, Ec,eff, und das reduzierte Trägheitsmoment des gerissenen Querschnitts, III, welche die geringere Steifigkeit des Querschnitts widerspiegeln. Die Verformung des Querschnitts im gerissenen Zustand ist deutlich größer als im ungerissenen Zustand, weil die Steifigkeit des gerissenen Querschnitts verringert ist.
κII = ( 1,296 ⋅ ( 18,50 kNm - 0 ) ) / ( 10.001,2 MN/m² ⋅ 16.933,50 cm⁴ ) = 14,2 mrad/m
Endzustand
Der Endzustand beschreibt die maximalen Spannungen, die im ungerissenen Querschnitt sowohl unter Langzeit- als auch unter Kurzzeitbelastungen auftreten können, um die Belastbarkeit und Gebrauchstauglichkeit des Bauteils sicherzustellen.
Die maximale Spannung im ungerissenen Zustand bei Langzeitbelastung, σmax,It, beschreibt die größte Spannung, die im ungerissenen Querschnitt infolge von Langzeitbelastungen auftreten kann. Sie setzt sich aus zwei Anteilen zusammen:
- dem Beitrag der Normalkräfte NEd und Nsh
- dem Beitrag der Biegemomente My,Ed,def, Msh,I und dem durch die Exzentrizität (zI - h/2) der Normalkraft NEd entstehenden Moment.
Der zweite Anteil wird durch das Trägheitsmoment II und den Abstand (h - zI) verstärkt.
Die maximale Spannung im ungerissenen Zustand bei Kurzzeitbelastung, σmax,st, gibt die größte Spannung im Querschnitt unter kurzfristigen Belastungen an. Im Unterschied zur Langzeitbelastung werden hier lediglich die Normalkraft NEd und My,Ed,def berücksichtigt, da keine Schnittgrößen aus Schwinden vorhanden sind.
Die maximale Spannung im ungerissenen Zustand, σmax, ist der größere der beiden Spannungswerte aus Langzeit- und Kurzzeitbelastung. Sie stellt sicher, dass die höchste mögliche Beanspruchung des Querschnitts berücksichtigt wird.
σmax = max( 3,155 MN/m²; 2,689 MN/m² )
= 3,155 MN/m²
Der Verteilungsbeiwert (Schadensparameter), ζd, beschreibt den Übergang zwischen dem Verhalten des Querschnitts im ungerissenen und im gerissenen Zustand. Er wird durch das Verhältnis der charakteristischen Betonzugfestigkeit, fctm, zur maximalen Spannung, σmax, berechnet. Dabei wird die Nichtlinearität durch die Exponentialbeziehung berücksichtigt.
β |
Lasteinwirkungsdauer oder Widerholungskoeffizient |
ζd = 1 – 0,5 ⋅ (2,200 MN/m² / 3,155 MN/m²)²
= 0,757 ≤ 1
mit:
β = 1,0 (Kurzzeitbelastung)
β = 0,5 (Langzeitbelastung oder viele Zyklen sich wiederholender Beanspruchungen)
Ist der Verteilungsbeiwert ζd = 1, so befindet sich das Bauteil komplett im gerissenen Zustand. Ist ζd jedoch gleich 0, so ist der Beton vollständig ungerissen.
Für die Berechnung des Verteilungsbeiwerts ζd ist wichtig, welche Option bei der Risszustandserkennung ausgewählt wurde. Die Option „Risszustand berechnet aus zugehöriger Last“ bewirkt, dass der Risszustand (Verteilungskoeffizient ζd) ausschließlich aus der aktuellen Belastung (Lastkombination) berechnet wird – wie in diesem Beispiel. Die anderen Optionen sind im Handbuch näher beschrieben.
Die Krümmung des Querschnitts, κf, wird durch Interpolation zwischen dem gerissenen (κII) und ungerissenen (κI) Zustand berechnet, gewichtet durch den Verteilungsbeiwert, ζd. Dies ermöglicht eine realistische Beschreibung des Krümmungsverhaltens im Übergangszustand.
κf = 0,757 ⋅ 14,2 mrad/m + (1 – 0,757) ⋅ 3 mrad/m
= 11,5 mrad/m
Die ideelle Querschnittsfläche, Af, beschreibt den Übergang zwischen der ungerissenen Querschnittsfläche, AI, und der gerissenen Querschnittsfläche, AII. Auch hier erfolgt die Gewichtung durch den Verteilungsbeiwert, ζd.
Das ideelle Trägheitsmoment, Iy,f, beschreibt das Moment des Querschnitts unter Berücksichtigung des Verteilungsbeiwerts, ζd, sowie der Trägheitsmomente im ungerissenen Zustand, II, und im gerissenen Zustand, III. Zusätzliche Faktoren wie ksh,II und ksh,I berücksichtigen die Einflüsse des Schwindens im jeweiligen Zustand.
Die Exzentrizität des Schwerpunkts, ef, beschreibt die Lage des resultierenden Schwerpunkts des Querschnitts, basierend auf dem Übergang zwischen ungerissenem und gerissenem Zustand. Sie berücksichtigt den Verteilungsbeiwert, ζd, sowie die jeweiligen Elastizitätsmodule, Ec,eff, und Trägheitsmomente, II und III.
Das Ideelle Trägheitsmoment zum geometrischen Querschnittsmittelpunkt , Iy,0,f, berücksichtigt zusätzlich zum ideellen Trägheitsmoment, Iy,f, und der ideellen Querschnittsfläche, Af, auch die Verschiebung des Schwerpunkts durch die Exzentrizität, ef. Diese Verschiebung wird durch den Steiner Anteil von Af berücksichtigt.
Iy,0,f = 16.145,50 cm⁴ + 678,30 cm² ⋅ ( -49,2 mm )²
= 32.538,80 cm⁴
Endsteifigkeiten
Die Endsteifigkeiten eines Bauteils beschreiben dessen Widerstand gegen Verformungen und Rotationen unter verschiedenen Belastungsarten. Dabei werden sowohl axiale Steifigkeiten und Biegesteifigkeiten als auch Torsions- und Schubsteifigkeiten betrachtet. Diese Werte dienen als Grundlage für die Analyse des Tragverhaltens und der Gebrauchstauglichkeit eines Bauteils.
Die Tangentenmembransteifigkeit, EAf, beschreibt die axiale Steifigkeit des Querschnitts unter Berücksichtigung des wirksamen Elastizitätsmoduls des Betons, Ec,eff, und der ideellen Querschnittsfläche, Af.
EAf = 10.001,2 MN/m² ⋅ 678,30 cm²
= 678.387 kN
Die Tangentenbiegesteifigkeit, EIy,0,f, beschreibt die Widerstandsfähigkeit des Querschnitts gegen Biegung um den ideellen Schwerpunkt. Sie wird durch den wirksamen Elastizitätsmodul des Betons, Ec,eff, und das ideelle Flächenträgheitsmoment, Iy,0,f, bestimmt.
EIy,0,f = 10.001,2 MN/m² ⋅ 32.538,80 cm⁴
= 3.254,28 kNm²
Die Tangentenbiegesteifigkeit, EIz,0,f, beschreibt die Widerstandsfähigkeit des Querschnitts gegen Biegung um die lokale z-Achse. Sie wird durch den wirksamen Elastizitätsmodul des Betons, Ec,eff, und das Flächenträgheitsmoment um die z-Achse, Iz, definiert.
EIz,0,f = 10.001,2 MN/m² ⋅ 1.666.670 cm⁴
= 166.687 kNm²
Der Faktor r beschreibt die Reduzierung der Schubsteifigkeit basierend auf dem Verhältnis der ideellen Trägheitsmomente If und II.
r = 16.145,50 cm⁴/70.844,30 cm⁴
= 0,228
Die Schubsteifigkeit zur y-Achse, GAy,f, berücksichtigt den wirksamen Schubmodul des Betons, Gc,eff, die Querschnittsfläche Ac,y sowie den Reduktionsfaktor r.
GAy,f = 4.167,18 MN/m² ⋅ 1.666,67 cm² ⋅ 0,228
= 158284 kN
Die Schubsteifigkeit zur z-Achse, GAz,f, wird analog zur y-Achse berechnet.
GAz,f = 4.167,18 MN/m² ⋅ 1.666,67 cm² ⋅ 0,228
= 158.284 kN
Die Torsionssteifigkeit, GIT,f, entspricht im betrachteten Fall der Torsionssteifigkeit im ungerissenen Zustand, GIT,I.
GIT,f = 7.770 kNm²
Das exzentrische Steifigkeitselement, ESy, beschreibt die durch die Exzentrizität ef verursachte zusätzliche Beanspruchung des Querschnitts. Es wird durch die axiale Steifigkeit EAf und die Exzentrizität ef berechnet.
ESy = 678.387 kN ⋅ ( -49,2 mm )
= -33.350,20 kNm
Durchbiegung
Zur Gewährleistung der Gebrauchstauglichkeit wird die tatsächliche Verformung mit den zulässigen Grenzwerten verglichen. Dabei wird die Gesamtdurchbiegung um die Vorkrümmung korrigiert und auf die vorgegebenen Grenzwerte überprüft.
Bei der Berechnung der Durchbiegung wird die Hauptlastkombination ohne zeitabhängige Effekte wie Kriechen und Schwindung (kurzfristig) berücksichtigt, während zugehörige Lastkombinationen stets mit zeitabhängigen Eigenschaften (langfristig) berechnet werden. Ist mehr als eine zugehörige Last vorhanden, wird die Durchbiegung derjenigen Last mit dem höchsten Wert zugrunde gelegt.
Die Grenzdurchbiegung in z-Richtung, uz,lim, wird mit der Bezugslänge in z-Richtung, Lz,ref, und dem Grenzdurchbiegungskriterium, Lz,ref/uz,lim, berechnet.
uz,lim = 4,210 m / 250 = 16,8 mm
Die Durchbiegung in z-Richtung, uz, ergibt sich aus der Differenz der Gesamtdurchbiegung, uz,ges, und der Vorkrümmung an der Stelle x, uz,c.
uz = 19,4 mm - 0 = 19,4 mm
Nachweis
η = max( 19,4 mm / 16,8 mm; 0,0 mm / 16,8 mm ) = 1,155 Da η = 1,155 > 1, ist die zulässige Durchbiegung überschritten!Fazit
Die Verformungsberechnung nach den in den Normen festgelegten Näherungsverfahren, wie der Verformungsberechnung gemäß Abschnitt 7.4.3 von EN 1992-1-1, erfolgt unter Verwendung effektiver Steifigkeiten, die in den Finiten Elementen je nach Grenzzustand (gerissen oder ungerissen) berechnet werden. Diese effektiven Steifigkeiten bilden die Grundlage für die anschließende Berechnung der Verformung des Bauteils mittels einer weiteren FEM-Analyse.
Für die Bestimmung der effektiven Steifigkeiten wird der bewehrte Betonquerschnitt betrachtet, wobei der Stahlbetonquerschnitt anhand der ermittelten Schnittgrößen für den Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit in „gerissen“ oder „ungerissen“ eingestuft wird. Die Mitwirkung des Betons zwischen den Rissen wird durch einen Verteilungsbeiwert berücksichtigt, beispielsweise gemäß Gleichung 7.19 (EN 1992-1-1). Das Materialverhalten des Betons wird dabei bis zur Betonzugfestigkeit als linear-elastisch angenommen, was für die Gebrauchstauglichkeit ausreichend präzise ist.
Die Berücksichtigung der Langzeiteffekte von Kriechen und Schwinden erfolgt bei der Ermittlung der effektiven Steifigkeiten auf Querschnittsebene des Bauteils, um eine realistische Darstellung der Verformungen unter den Langzeitbelastungen zu gewährleisten.