Kriechen und Schwinden
Dieses Kapitel gibt einen Überblick über die zeitabhängigen Spannungen und Dehnungen aus Kriechen und Schwinden. Der Kriech- und Schwindeinfluss wird im analytischen Gebrauchstauglichkeitsnachweis für die Bestimmung der Verformung verwendet. Der Ansatz von Kriechen und Schwinden in der nichtlinearen Berechnung wird im Kapitel 2.4.6 erläutert.
Kriechen bezeichnet die zeitabhängige Verformung des Betons unter Belastung über einen bestimmten Zeitraum. Die wesentlichen Einflussgrößen sind ähnlich denen des Schwindens, wobei zusätzlich die sogenannte kriecherzeugende Spannung einen wichtigen Einfluss auf die Kriechverformungen hat. Besondere Beachtung bedarf dabei die Dauer der Belastung, der Zeitpunkt der Lastaufbringung sowie die Höhe der Beanspruchung. Die Größe, durch die das Kriechen erfasst wird, ist die Kriechzahl φ (t, t0) zum betrachteten Zeitpunkt t.
Schwinden beschreibt eine zeitabhängige Änderung des Volumens ohne Einwirkung von äußeren Lasten oder Temperatur. Auf die weitere Verzweigung des Schwindproblems in einzelne Erscheinungsformen (Trocknungsschwinden, autogenes Schwinden, plastisches Schwinden und Karbonatisierungsschwinden) wird hier nicht näher eingegangen. Wesentliche Einflussgrößen des Schwindens sind die relative Luftfeuchte, die wirksame Bauteildicke, die Gesteinskörnung, die Betonfestigkeit, der Wasserzementwert, die Temperatur sowie die Art und Dauer der Nachbehandlung. Die Größe, durch die das Schwinden erfasst wird, ist das Schwindmaß εc,s (t, ts) zum betrachteten Zeitpunkt t.
Im Folgenden wird die Ermittlung der Kriechzahl φ (t, t0) und des Schwindmaßes εc,s (t, ts) gemäß EN 1992-1-1, Abschnitt 3.1.4 und Anhang B vorgestellt.
Voraussetzung zur Anwendung der nachfolgenden Formeln ist, dass die kriecherzeugende Spannung σc der einwirkenden Dauerlast folgenden Wert nicht überschreitet:
mit
- fckj : Zylinderdruckfestigkeit des Betons zum Zeitpunkt des Aufbringens der kriecherzeugenden Spannung
Unter der Annahme eines linearen Kriechverhaltens (σc ≤ 0.45 ⋅ fckj) kann das Kriechen des Betons durch eine Abminderung des Elastizitätsmoduls für den Beton erfasst werden.
mit
- Ecm : mittlerer Elastizitätsmodul nach EN 1992-1-1, Tabelle 3.1
- φeff (t, t0) : effektive Kriechzahl, φeff (t, t0) = φ (t, t0) ⋅ MQS / MEd
- t : Betonalter zum betrachteten Zeitpunkt in Tagen
- t0 : Betonalter zu Belastungsbeginn in Tagen
Die Kriechzahl φ (t, t0) zum untersuchten Zeitpunkt t darf wie folgt berechnet werden:
mit
- RH : Relative Luftfeuchte in [%]
-
h0 : Wirksame Bauteildicke in [mm]
- h0 = 2 ∙ Ac / u
- Ac : Querschnittsfläche
- u : Querschnittsumfang
-
α1, α2 : Anpassungsfaktoren
- α1 = (35 / fcm)0.7
- α2 = (35 / fcm)0.2
- fcm : Mittelwert der Zylinderdruckfestigkeit
- fcm : Mittelwert der Zylinderdruckfestigkeit des Betons in [N/mm2]
- t0 : Betonalter zu Belastungsbeginn in Tagen
- t : Betonalter zum betrachteten Zeitpunkt in Tagen
- t0 : Betonalter zu Belastungsbeginn in Tagen
-
βH =
1. 5 ⋅ [1 + (0.012 ⋅ RH)18] ⋅ h0 + 250 ⋅ α3 ≤ 1500 ⋅ α3- RH : Relative Luftfeuchte in [%]
- h0 : Wirksame Bauteildicke [mm]
- α3 : Anpassungsfaktor
-
α3 = (35 / fcm)0.5 ≤
1. 0
Folgende Eingaben sind zur Berechnung der Kriechzahl erforderlich:
- RH : Relative Luftfeuchte in [%]
- t0 : Betonalter zu Belastungsbeginn in Tagen
- t : Betonalter zum betrachteten Zeitpunkt in Tagen (wahlweise ∞)
Der Einfluss hoher oder niedriger Temperatur in einem Bereich von 0°C bis 80°C auf den Aushärtungsgrad des Betons kann durch eine Korrektur des Betonalters durch folgende Gleichung berücksichtigt werden:
mit
n |
Anzahl der Perioden mit gleicher Temperatur |
T (Δti) |
Temperatur in [°C] während des Zeitraums Δti |
Δti |
Anzahl der Tage mit dieser Temperatur T |
Der Einfluss der Zementart auf die Kriechzahl des Betons kann dadurch berücksichtigt werden, dass das Belastungsalter t0 mit Hilfe folgender Formel verändert wird:
mit
t0,T = tT |
Wirksames Betonalter bei Belastungsbeginn unter Berücksichtigung des Einflusses der Temperatur |
α |
Exponent, abhängig von der Zementart, siehe Tabelle 2.2 |
α | Zementart |
---|---|
−1 |
langsam erhärtende Zemente der Klasse S |
0 |
normal oder schnell erhärtende Zemente der Klasse N |
1 |
schnell erhärtende hochfeste Zemente der Klasse R |
Beton C25/30 |
Betonalter bei Kriechbeginn:
Betonalter unter Einfluss der Zementart:
Wirksame Bauteildicken:
Kriechzahl:
mit
Bei der Ermittlung des Schwindmaßes ε (t, ts) gemäß EN 1992-1-1, Abschnitt 3.1.4 kann die Schwinddehnung εcs (t) aus der Summe der Komponenten autogenes Schwinden εca (t) und Trocknungsschwinden εca (t, ts) berechnet werden.
Die autogene Schwinddehnung εca (Schrumpfen) zum betrachteten Zeitpunkt (t) folgt aus:
mit
Der Anteil aus Trocknungsschwinden εcd ermittelt sich wie folgt:
mit
- t Betonalter in Tagen zum betrachteten Zeitpunkt
- ts Betonalter in Tagen zum Beginn des Schwindens
- h0 Wirksame Querschnittsdicke in [mm] : h0 = 2 ⋅ Ac / u
- fcm : Mittlere Zylinderdruckfestigkeit des Betons in [N/mm2]
- fcm0 : 10 N/mm2
Zementklasse |
Merkmal |
αds1 |
αds2 |
S |
Langsam erhärtend |
3 |
0.13 |
N |
Normal erhärtend |
4 |
0.12 |
R |
Schnell erhärtend |
6 |
0.11 |
- RH Relative Luftfeuchte der Umgebung in [%]
- RH0 100 %
Beton C25/30
Zement CEM 42.5 N
RH: 50 %
Betonalter ts bei Schwindbeginn: 28 Tage
Betrachtes Betonalter t: 365 Tage
Wirksame Querschnittsdicke:
Autogenes Schwinden:
mit
Trocknungsschwinden:
mit
Zementklasse N ⇒ αds1 = 4; αds2 = 0.12
Gesamtschwindmaß: