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14. Oktober 2020

Dynamische Analyse von Strukturen unter Explosionsbelastung

In diesem Beitrag werden Abbildungen eines Explosionsszenarios einer Ferndetonation in RF-DYNAM Pro - Erzwungene Schwingungen dargestellt und die Auswirkungen im linearen Zeitverlaufsverfahren verglichen.

Grundlagen

Ein Tragwerk ist so zu planen und auszuführen, dass es über seine Lebensdauer hinaus den möglichen Einwirkungen und Einflüssen standhält und auch die geforderte Gebrauchstauglichkeit erfüllt. Diesbezüglich werden Einwirkungen nach ihrer zeitlichen Veränderung wie folgt unterteilt:

  • Ständige Einwirkungen (zum Beispiel Eigengewicht)
  • Veränderliche Einwirkungen (zum Beispiel Nutzlasten, Schnee- und Windlasten)
  • Außergewöhnliche Einwirkungen (zum Beispiel Explosion oder Fahrzeuganprall)

In diesem Fachbeitrag wird die außergewöhnliche Einwirkung einer Explosion thematisiert. Eine außergewöhnliche Einwirkung ist zwar zeitlich von kurzer Dauer und tritt mit keiner nennenswerten Wahrscheinlichkeit auf. Sie kann jedoch erhebliche Folgen für die Standsicherheit eines Tragwerks haben.

"Eine Explosion ist eine" plötzlich auftretende, äußerst schnell verlaufende "Oxidations- oder Zerfallsreaktion mit plötzlichem Anstieg der Temperatur und des Druckes. Dabei kommt es zu einer plötzlichen Volumenausdehnung von Gasen und der Freisetzung von großen Energiemengen auf kleinem Raum (...). Die plötzliche Volumenerweiterung verursacht eine Druckwelle, die bei einer idealen (von einer Punktquelle ausgehenden) Explosion durch das Modell der Detonationswelle beschrieben werden kann." [1] Von einer Explosion gehen neben der Luftstoßbelastung weitere Einwirkungen durch hohe Temperaturen und Wurfstücke (Splitter, Trümmer) einher. In diesem Beitrag wird die Belastung einer Ferndetonation als reine Luftstoßbelastung auf ein Tragwerk abgebildet, nicht aber andere Effekte der Explosion.

Luftstoßbelastung Ferndetonation

Die Luftstoßbelastung kann schematisch als Druck-Zeit-Verlauf (aus [2] dargestellt werden.

Die freie Luftstoßwelle trifft schlagartig mit Spitzenüberdruck auf die Struktur. Der Verlauf beinhaltet eine Überdruckphase, die bis zum Zeitraum td auf die Struktur wirkt und über eine Unterdruckphase bis zum Erreichen des Umgebungsluftdrucks abgebaut wird. Dieser exponentielle Ansatz wird häufig auf den Überdruckbereich vereinfacht. Hierbei kann eine virtuelle Zeit t~d (t~d < td) berechnet werden, die den Ansatz linearisiert mit betragsmäßig gleichem Impuls beschreibt, die Unterdruckphase jedoch komplett vernachlässigt.

Die maßgeblichen Eingangswerte für die Berechnung der Explosion sind der Abstand zum Explosionszentrum R sowie die Sprengstoffmasse als TNT-Äquivalent MTNT. Die nachfolgend genannten Formeln beziehen sich auf das in [2] entwickelte Belastungsmodell. Aus den beiden Eingangswerten R und MTNT wird ein skalierter Abstand Z ermittelt.

Folgend werden der maximale Spitzenüberdruck, der positive spezifische Impuls sowie der Formbeiwert berechnet. Der Formbeiwert beeinflusst wesentlich die Ausprägung der Unterdruckphase.



Als nächster Schritt können die Zeitdauer der positiven Druckeinwirkung td sowie die virtuelle Zeitdauer der positiven Druckeinwirkung t~d berechnet werden.


Für die Ermittlung des reflektierten Druck-Zeit-Verlaufes wird ein Reflexionsfaktor für die Überdruckphase cr und ein Reflexionsfaktor für die Unterdruckphase c-r ermittelt. Als Annahme gilt eine unendlich senkrechte Reflexionsfläche. Für Details zu den Werten wird auf [2] verwiesen.


Aus allen ermittelten Werten kann dann mithilfe des Belastungsmodells für den vollständigen reflektierten Druck-Zeit-Verlauf


und ausgewählten Belastungsfunktionen die Belastung in RF-DYNAM Pro - Erzwungene Schwingungen als Zeitdiagramme (Funktionen) abgebildet werden.

Eingabe in RF-DYNAM Pro - Erzwungene Schwingungen

Die Belastungsfunktionen können im Zusatzmodul als Zeitdiagramme eingegeben werden. Zeitdiagramme können entweder transient, periodisch, oder direkt als Funktion definiert werden. Sie erregen die Struktur an einer bestimmten Position. Die Position der Last wird in statischen Lastfällen festgelegt. Hier kann nahezu jeder Lasttyp eingegeben werden. Die statischen Lastfälle werden mit den Zeitdiagrammen verknüpft. Dies geschieht in den dynamischen Lastfällen. Der Multiplikator k wird verwendet, um die endgültige Größe der Erregerkraft zu bestimmen.

Für die folgenden Berechnungen wird eine Fernexplosion von MTNT = 1 kg in einer Entfernung von R = 10 m abgebildet. Daraus ergeben sich bei Verwendung der parametrisierten Eingabe die folgenden Werte.

In der Parameterliste, welche in der RFEM-Modelldatei hinterlegt ist, sind nur die Werte für R und MTNT anzupassen. Insofern diese im Wertebereiche für den skalierten Abstand von 5 < Z < 30 liegen, kann das in [2] vorgestellte Berechnungsmodell verwendet werden.

Mit den in der Parameterliste berechneten Werten sind die Eingaben für die vier dargestellten Zeitdiagramme im Zusatzmodul wie folgt getroffen worden. Hierbei wird – wie bei vielen numerischen Programmen – der Druck nicht unmittelbar bei t = 0 s aufgebracht, sondern in unserem Beispiel ab t = 0,01 s. Die Verwendung von verschachtelten If-Funktionen bietet sich hier an, um die gewünschten Funktionen abzubilden.

Um die vier Funktionen in einer Datei zu vergleichen, werden vier identische Teilsysteme in einem dynamischen Lastfall untersucht. Jedem Teilsystem wird ein Lastfall zugewiesen, der die vordere Fläche mit 1 kN/m² belastet. Jedem Teilsystem wird ein anderes Zeitdiagramm, somit eine andere Belastungsfunktion, zugewiesen.

Abschließend wird noch die Rayleigh-Dämpfung der Teilsysteme eingegeben, die sich aus den beiden dominanten Eigenformen der Teilsysteme in die betrachtete Richtung ermitteln lässt.

Ergebnisse

Nach der Berechnung und Ermittlung der Ergebnisse können in der Datei die vier Belastungsfunktionen und deren Auswirkung auf die Teilsysteme verglichen werden. Hierbei sollen in diesem Beitrag nur Beschleunigung und Verschiebung in globale X-Richtung kurz gegenübergestellt werden. Die Auswertung der Ergebnisse ist in der Programmoberfläche im Ergebnis-Navigator möglich. Hier können diverse Ergebniswerte bei den berechneten Zeitschritten angezeigt werden. Zudem hat man nach der Analyse eines dynamischen Lastfalls Zugriff auf das Zeitverlaufsdiagramm, indem man sich weitere Werte von Punkten ausgeben lässt und auch vergleichen kann. Betrachtet werden hier die Werte in der Mitte der vorderen Flächen.


Das Aufbringen des konstanten Impulses p1(t) zeigt wie erwartet die größten Werte. Die beiden linearisierten Verläufe p2(t) und p3(t) sind sehr ähnlich, wobei wie erwartet die Werte von p2(t) > p3(t) sind. Letztendlich zeigt der Verlauf von p4(t), dass eine Betrachtung der Unterdruckphase nicht zu vernachlässigen ist und gegenüber dem gängigen, linearisierten Ansatz von p3(t) größere Werte auf die Konstruktion wirken.

Fazit

Das Abbilden des realen Druck-Zeit-Verlaufes einer Fernexplosion mithilfe von Zeitdiagrammen in RF-DYNAM Pro - Erzwungene Schwingungen stellt eine wirkungsvolle Möglichkeit dar, die Einwirkungen der Überdruck- und Unterdruckphasen auf die Struktur zu ermitteln. Die Parametrisierung des Modells ermöglicht es, mit Anpassung von R und MTNT unterschiedliche Explosionsszenarien abzubilden und zu vergleichen.


Autor

Herr Hoffmann beschäftigt sich mit der Entwicklung im Bereich Dynamik, Membranbau und RWIND. Weiterhin kümmert er sich im Kundensupport um die Anliegen unserer Anwender.

Links
Referenzen
  1. Lexikon chemie.de: Explosion
  2. Teich, M.: Berichte aus dem Konstruktiven Ingenieurbau - Interaktionen von Explosionen mit flexiblen Strukturen. Neubiberg: Universität der Bundeswehr München, 2012


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