Einleitung
Über die Finite-Elemente-Methode kann man Verformungen und Kräfte für statisch bestimmte und überbestimmte Tragwerke berechnen. Damit das im Hintergrund liegende Gleichungssystem abhängig von den gewählten Stabquerschnitten, -längen und -drehungen eine Lösung finden kann, sind geometrische (zum Beispiel Lager) und lasttechnische (zum Beispiel Systembelastung) Randbedingungen notwendig:
[K] ∙ {u} = {F}
mit
[K]…Steifigkeitsmatrix
{u}…Vektor der Knotenverschiebungen
{F}…Vektor der Knotenpunktslasten
Beispiel: Eine Feder mit der Federsteifigkeit K = 3 N/m verlängert sich aufgrund der Kraft F um u = 0,5 m. Die Kraft F ist folglich 3 N/m ∙ 0,5 m = 1,5 N groß.
RF-/STAHL Wölbkrafttorsion ermittelt aufgrund seiner eigenen Berechnung mit sieben Freiheitsgraden für die angesetzten Stabsätze die Kräfte und Verformungen erneut (Statik-Programm im Statik-Programm). Dieser Sachverhalt bedeutet jedoch, dass die herausgelösten Stabtragwerke ohne Randbedingungen nicht berechenbar sind. Für eine Berechnung sind entsprechende geometrische Randbedingung in Form von einer Lagerdefinition und lasttechnische Randbedingung in Form einer Stabbelastung notwendig.
Da sich die geometrischen Lagerdefinitionen in der Regel für verschiedenste Lastsituationen nicht ändern, kann für die herausgelösten Stabtragwerke an jedem Knoten im Menü 1.7 eine Punktlagerdefinition und im Menü 1.13 eine elastische Linienlagerdefinition festgelegt werden. Die Information über die lasttechnische Randbedingung bekommt das Programm über die im Menü 1.1 angesetzten Lastsituationen (Lastfälle, Lastkombinationen und Ergebniskombinationen). Da die angesetzten Lastsituationen nur Belastungen für das Gesamtsystem in RFEM/RSTAB und nicht für das herausgelöste Stabtragwerk bereithalten, ist für die Teiltragwerksberechnung mit RF-/STAHL Wölbkrafttorsion je Lastsituation und Stabsatz (Teiltragwerk) auch eine eigene Belastung notwendig. Diese Belastung wird am Anfang der Berechnung über die Stabschnittgrößen der globalen RFEM-/RSTAB-Berechnung im Modul ermittelt. Mit diesen neuen Stabbelastungen für das Teiltragwerk und den bereits gesetzten Knotenlagern im Modul werden dann die neuen Kräfte und Verformungen nach der Wölbkrafttorsionsanalyse ermittelt.
Ermittlung der Stabbelastung für das Teiltragwerk
Folgend geschilderte Betrachtung erledigt das Programm je Teiltragwerk und je zugeordnete Lastsituation in dem Bemessungsprogramm.
Um die Belastung für die erweiterte Analyse zu ermitteln, nutzt das Programm die Differenzialgleichung der Biegelinie:
mit
w(x)…Funktion der Verschiebung
M(x)…Funktion des Biegemomentenverlaufs
EI(x)…Funktion der Biegesteifigkeit über die Stablängsachse (E-Modul ∙ Trägheitsmoment)
Aus dem Zusammenhang zwischen Biegelinie und Belastung (Schwedler-Theorem) kann das Programm über den Biegemomentenverlauf My(x), Mz(x) auf die Belastungsverläufe qy(x), qz(x) schließen:
Biegemoment M(x) = - EI(x) ∙ w''(x)
Querkraft Q(x) = - (EI(x) ∙ w''(x))'
Belastung q(x) = (EI(x) ∙ w''(x))''
Die Transferfunktion ermittelt für das herausgelöste Tragwerk entsprechende Linienbelastungen und an den Diagrammsprüngen Punktbelastungen. Die Schnittgrößen aus Normalkraft und Torsion werden ähnlich umgerechnet und als Belastung auf das Teiltragwerk aufgesetzt. Die Querkräfte müssen bei dieser Analyse nicht weiter berücksichtigt werden, da sich die Querkräfte direkt aus der Ableitung der Biegemomente ergeben und indirekt durch die neue Ersatzbelastung wieder erneut entstehen.
Diese Vorgehensweise ergibt für das finale Teiltragwerk eine ähnliche Schnittgrößenbelastung wie in der global Tragwerksberechnung in RFEM/RSTAB, wenn die benutzerdefiniert angesetzten geometrischen Randbedingungen (Lager) für das Teiltragwerk affin zur der globalen Tragwerkswirkung angesetzt werden. Folgende Gesetzmäßigkeiten sind für die Lagerdefinition einzuhalten:
1. Die Lager müssen affin zu der Wirkung in dem Gesamttragwerk gesetzt werden.
2. Das Teiltragwerk muss so statisch bestimmt oder überbestimmt gelagert werden.
3. Bei Teiltragwerken, die dem Gesamttragwerk entsprechen, sind die Lager wie im Gesamtsystem zu setzen.
4. Zwischenlager im Teiltragwerk sind immer mit der gleichen Steifigkeit wie im Gesamtsystem anzusetzen.
5. Für herausgelöste Teiltragwerke sind die Lager an den Schnittstellen bezüglich der zu übertragenden Biegemomentbelastung um die jeweilige Drehrichtung zu öffnen. Zum Abbilden von Normal- und Torsionskraftverläufen aus externen Lasten ist nur ein beliebiges Randlager in und um die entsprechende Richtung zu öffnen. Interne Zwängungslasten auf dem Teiltragwerk werden nur eingeschränkt berücksichtigt (als externe Last von der Transferfunktion).
Die beschriebene Transferfunktion kann für Lastfälle LF, Lastkombinationen LK und Ergebniskombinationen EK angewendet werden.
Fazit
Diese neue Transferfunktion ist ein komplexes Werkzeug zur Ermittlung der Belastung für Teiltragwerke. Aufgrund der vollumfänglichen Einbindung in RF-/STAHL Wölbkrafttorsion kann man das volle Potential dieser Funktion nutzen. Die Findung der Belastungen für die Berechnung nach sieben Freiheitsgraden hängt somit nur noch von einer Auswahl der zu analysierenden Lastsituationen ab.