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15. Februar 2023

Sind wir bereit für BIM?

Sind wir schon bereit für BIM? Es gibt zahlreiche Ideen und Neuerungen rund um Digitalisierung im Bauwesen. Fast täglich scheinen neue zu entstehen. Aber wie sinnvoll sind die meisten davon? Können wir BIM überhaupt schon so großflächig umsetzen, wie wir gerne würden? Gemeinsam mit unserem Gast Ralf Weineck möchten wir uns heute etwas kritischer mit dem Thema BIM in der Baubranche auseinandersetzen. Lest gerne rein!

Probieren geht über und mit Studieren

Das Thema BIM ist in unserem Podcast nicht neu, im Gegenteil. Gerade deshalb wollten wir an die ganze Thematik noch einmal etwas anders herangehen. Helfen wird uns dabei unser Gast Ralf Weineck. Er ist Architekt und BIM-Verantwortlicher in einem Ingenieurbüro.

Sein Werdegang begann recht klassisch mit einem Architektur-Studium in Zürich. Schon Mitte der 90er Jahre kam er erstmals in Kontakt mit CAD-Programmen und 3D-Modellen. Damals war die Technik noch nicht allzu weit fortgeschritten, doch mit der Zeit änderte sich das.

Ralf brachte sich alles, was mit der 3D-Modellierung zu tun hatte, weitestgehend selbst bei. Schließlich war er schon immer ein Mensch, der Neues einfach ausprobiert und so dazulernt. Interessiert hat ihn dabei vor allem das lebendig machen von 3D-Modellen. Heute ist er selbständig im Bereich der Architektur-Visualisierung und gleichzeitig BIM-Verantwortlicher in einem Büro.

Ihm ist im Laufe seiner Arbeit aufgefallen, dass es teils Meinungen zum Thema BIM gibt, die überhaupt nicht zusammenpassen. Daher hat er begonnen, einige der inflationär auf LinkedIn angebotenen BIM-Kurse auseinanderzunehmen. Hier setzen wir an.

Allgemeines zum Thema BIM

Zu BIM müssen wir eigentlich nicht mehr viel erklären. Das haben wir in anderen Beiträgen bereits getan. Lest gerne nach, wenn euch das Thema interessiert! Wir fassen hier kurz das Wesentliche zusammen.

Das eigentliche Ziel von BIM ist es, aus 3D-Modellen den größtmöglichen Nutzen zu ziehen. Sollen diese Modelle bürointern verwendet werden, um z.B. Pläne zu generieren oder für Auswertungen, spricht man von Little BIM.

Sobald das Modell auf einer Plattform hochgeladen und Externen zur Verfügung gestellt wird, fällt der Prozess unter Big BIM. Die hochgeladenen Modelle können dann firmenübergreifend gemeinsam auf der Plattform angesehen und besprochen werden. Dabei handelt es sich um das BIM-Koordinations-Modell. Hier ergänzen sich die Modelle gegenseitig oder können aufgeteilt werden, sodass jeder den Teil bekommt, den er für seine Arbeit braucht.

Von BIM an sich gibt es zwei Varianten: Open BIM und Closed BIM. Der Unterschied ist recht einfach zu erklären. Bei Closed BIM arbeiten alle Beteiligten mit der gleichen Software. Open BIM charakterisiert sich durch Schnittstellen, die programmübergreifendes Arbeiten möglich machen.

Was mit BIM schon möglich ist

Ralf gibt uns als Beispiel einen autonomen Bagger. Dieser benötigt Daten, die ihm sagen, wie weit er graben darf und ab welcher Tiefe er aufhören soll. Daher wird er sozusagen mit einem 3D-Modell gefüttert und es funktioniert. Auch das ist schon BIM, obwohl es doch recht unspektakulär wirkt.

Außerdem müssen wir bedenken, dass nicht die gesamte Baubranche auf dem gleichen BIM-Stand ist. Im Holzbau wird beispielsweise schon seit Jahrzehnten mit 3D-Modellen gearbeitet, welche die Holzbauer an ihre Fräsmaschinen senden. Das Ganze ist also nicht überall eine aufregende Neuheit, wie es gerne verkauft wird.

Bei der Einmessung wird ebenfalls bereits BIM verwendet. Ein Laser misst auf der Baustelle alles ab und gibt anschließend aus, wie viele Löcher zur Befestigung wo gebohrt werden müssen. Künftig, da ist Ralf sich sicher, wird es auch für das Bohren der Löcher einen Roboter geben. Wir kommen mit und dank BIM also immer einen Schritt weiter.

Auch das Verlegen von Rohren mithilfe von Polygonen-Modellen im Raum wird längst in der Praxis angewandt. Wir sehen schon: Es muss nicht immer alles immer so spektakulär sein, wie es gerade auf Social-Media-Plattformen gerne dargestellt wird. Vielmehr entwickelt sich BIM langsam weiter.

  • Das ist für mich der wichtige pragmatische Ansatz. Zu schauen, was kann man heute machen und was kann man verbessern – und zwar jetzt, bei der nächsten Baustelle.

Probleme von BIM in der Umsetzung

Wieso setzt sich BIM nur sehr zäh gegen bewährte Methoden durch? Dazu hat Ralf eine Menge zu erzählen. Er beginnt damit, dass BIM oftmals schon an der Akzeptanz scheitert. Nur wenige wissen mit dem Begriff an sich etwas anzufangen. Sie sind meist sehr skeptisch und haben fast schon Angst vor BIM. Viele rechnen fest damit, dass etwas Kompliziertes und Schlimmes auf sie zukommt.

  • Etwas, das sie noch nie gemacht haben, von dem sie keine Ahnung haben und sie sind plötzlich nicht mehr kompetent. Das ist eine Angst, die ich ihnen nehmen möchte.

Um das zu erreichen, nutzt Ralf möglichst einfache Beispiele, in denen er die Funktionsweise von BIM erklärt, z.B. das Modell eines Lego-Männchens, in dessen einzelnen Bauteilen Informationen hinterlegt sind. Er ist der Meinung, praktische Kurse für BIM müssten großflächig angeboten werden.

Mit der Skepsis kommen wir direkt zum nächsten Problem. Herkömmliche Prozesse werden lieber beibehalten, als sich Neuem gegenüber zu öffnen. Wieso? Sie haben bisher funktioniert. Hier muss man zunächst die bestehenden Prozesse verstehen, um sie verbessern zu können. Ein gutes Beispiel dafür ist BIM2Field, also das digitale, papierlose Übertragen von Daten als 3D-Modell direkt zur Umsetzung auf die Baustelle.

Ein weiteres Problem: Normen sind viel zu langsam. Eigentlich müssen wir heute bereits Probleme lösen, bevor es dafür überhaupt Normen gibt. Dank unserer Bürokratie kommt die Baubranche wie üblich nicht hinterher.

Auch die Ausbildung derjenigen, die solche 3D-Modelle zeichnen, sieht Ralf als unzureichend an. Oft wird von ihnen erwartet, dass sie BIM beherrschen – schließlich zeichnen sie ja diese Modelle. Tatsächlich aber ist BIM in einer klassischen Ausbildung zum technischen Zeichner nicht integriert. Sie müssen sich dieses Wissen also oft selbst aneignen und das ist mühsam, wenn es kaum seriöse Kurse dafür gibt.

Ralf erklärt uns, dass gerade in der Koordinationsphase viele Büros einen Mehraufwand durch BIM befürchten. Schließlich ist die Arbeit mit einem 2D-Plan schon schwierig genug. Tatsächlich sind Probleme wie kollidierende Rohre o. ä. in einem 3D-Modell viel besser zu erkennen. Hier gilt das Grundmotto von BIM: einfach ausprobieren und Erfahrungen sammeln.

Noch dazu kommt, dass viele BIM-Trends sich zwar in der Theorie gut anhören, in der Praxis aber eher unpraktisch oder gar nicht notwendig sind. Er führt hier das Beispiel an, mit einer VR-Brille über die virtuelle Baustelle zu laufen. Natürlich hat er das ausprobiert, bleibt aber doch lieber bei der Bildschirm-Ansicht, da die VR-Brille gerade für Brillenträger doch eher unbequem zu tragen ist. Anders mag das sein, wenn Bauherren ein 3D-Modell ihres Projektauftrags in VR gezeigt wird. Das wirkt natürlich ganz anders als ein 3D-Modell auf dem Bildschirm.

Neben VR spricht Ralf auch von AR. Dabei wird die Realität durch Einblendungen an einem Headset mit digitalen Bildern überlagert. Virtuelles und Reelles treffen also aufeinander. Auch hier hört es sich in der Theorie sehr gut an, aber wie angenehm so etwas im Alltag nutzbar ist, wird sich zeigen. Gerade bei Monteur-Arbeiten muss das Headset natürlich sitzen und darf nicht stören.

Ein weiteres Problem sieht er in der Software, die heutzutage verwendet wird. Viele CAD-Programme sind unnötig kompliziert und bauen auf ihren 2D-Vorgängern auf. Ein technischer Zeichner arbeitet meist in 2D, also mit Grundrissen, und wechselt zwischendurch in eine 3D-Ansicht. Das sieht Ralf als völlig kontraproduktiv. Man sollte heutzutage von Anfang an mit 3D-Modellen arbeiten. Viele Programme sind nicht BIM-zertifiziert, können aber trotzdem dafür genutzt werden, wenn man damit umgehen kann.

  • Ich bin immer in 3D. Ich sehe ja immer, was ich mache, also muss ich das nicht noch einmal prüfen.

Dazu kommt natürlich die menschliche Seite. Modelle und Pläne, die von Zeichnern angefertigt werden, sind selten bis ins Detail perfekt. Das ist einfach menschlich. Hier schreibt jemand etwas klein statt groß, da fehlt ein Buchstabe – Solche Probleme passieren oft. Hier sind oft noch Anpassungen nötig, die Ralf an den Modellen durchführt, damit alles am Ende zusammenpasst.

Man muss in BIM-Prozessen lernen, auch mit Fehlern anderer umgehen zu können. Er lässt uns wissen, dass er seinen Studenten immer gesagt hat, sie müssen so arbeiten, dass jemand anderes mit ihren Plänen weiterarbeiten könnte.

Zukunft des Bauwesens

Nun wollen wir natürlich wissen, wie Ralf den Einfluss von BIM auf die Zukunft unserer Branche einschätzt. In vielen Social-Media-Beiträgen wird immer wieder vom „großen Knall“ geredet, der die Baubranche grundlegend verändern wird. Er sieht das anders. Schon jetzt und teils bereits über Jahre beeinflussen verschiedene Formen von BIM das Bauwesen mit seinen Prozessen.

Oft wird gar nicht direkt über BIM gesprochen – Der Begriff fällt einfach nicht. BIM-Prozesse, wie das Teilen von 3D-Modellen auf entsprechenden Plattformen über Schnittstellen, entstehen in der Regel ganz von selbst, wenn man bereit ist, sich auf Neues einzulassen.

Des Weiteren gibt er zu bedenken, dass Robotik und Automatisierung noch nicht so weit fortgeschritten sind, dass sie auf Baustellen flächendeckend eingesetzt werden können. Wie die Zukunft aussehen könnte, sehen wir ja in Filmen, wo beschädigte Raumschiffe in einem Hangar schwebend von Robotern repariert werden. Aber bis dahin ist es noch ein sehr langer Weg. Viele machen sich wegen der Automatisierung Sorgen um ihre Arbeit, aber ohne Grund, wie Ralf findet.

  • Verschwinden Arbeitsplätze? Ja, aber diese Person kann im Unternehmen doch besser eingesetzt werden als im Halten eines Maßstabs.

Wir sind in der Digitalisierung die letzten 20 Jahre schon sehr weit gekommen und dieser Trend wird sich fortsetzen, langsam, aber stetig.

Natürlich fragen wir Ralf auch nach seinen Gedanken zu weiteren Neuerungen außer BIM. Er berichtet uns, dass ihn vor allem das Thema 3D-Druck sehr interessiert, da es auf 3D-Modellen basiert. Auch sein zweites Berufsfeld, die Visualisierung, findet hier Beachtung. Er verbringt sehr gerne Zeit damit, Modelle durch Modellierungen sozusagen hübsch zu machen: Bäume, Pflanzen, Designer-Sofas usw. Heutzutage geht das sehr schnell und ist mit wenig Aufwand verbunden. Virtuelle Gebäudebegehungen mit VR-Brillen findet er beispielsweise sehr spannend.

  • Dann sehen sie auch, wie die Sonne abends in ihre Stube hinein kommt und sich die Lichtstimmung ändert.

Was er Berufsanfängern im Bauwesen raten würde? Neugierig zu bleiben, Neues auszuprobieren und sich auszutauschen. Er hofft sehr, dass gerade Studierenden oder jungen Absolventen ermöglicht wird, mit dieser neuen Software zu arbeiten. Denn diese Kenntnisse sind für die Zukunft absolut notwendig, um unsere Baubranche weiter voranzubringen.

Ralf, was ist dein Lieblingsbauwerk?

Auch ihm stellen wir unsere Abschlussfrage und erhalten sofort eine Antwort. Besonders fasziniert ihn das Copenhill in Kopenhagen. Dabei handelt es sich um eine Müllverbrennungsanlage mit einer 500m langen Ski-Piste auf dem Dach. Es wurde wie selbstverständlich mittels BIM geplant und errichtet.

Es ist wirklich beeindruckend, wie selbstverständlich unsere Nachbarländer teils schon mit dieser neuen Arbeitsweise umgehen. Vielen Dank, dass du bei uns zu Gast warst!

Möchtet ihr euch die Folge selbst einmal anhören? Dann kommt ihr hier zu unserem Beginnen Sie mit dem Zuhören! . Dort findet ihr alle Folgen zum Reinhören. Wir freuen uns aufs nächste Mal, wenn es heißt: Digitales und Innovatives aus dem Ingenieurbau!


Autor

Frau Ruthe ist im Marketing als Copywriterin zuständig für die Erstellung kreativer Texte und packender Headlines.



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