Allgemeines Erwärmungsverhalten von Stahl
Stahl besteht aus einem kristallinen Gitter, wobei sich die einzelnen Kristalle bei Normaltemperatur um einen Ruhepunkt bewegen. Diese Bewegung stagniert bei Erreichen der absoluten Nulltemperatur von -273 ° C und steigt bei Erwärmung an. Aufgrund dieser Bewegung der Kristalle um den Ruhepunkt nimmt die Verformbarkeit von Stahl bei Temperaturerhöhung zu. Die Festigkeit des Stahls nimmt dabei aber ab. Aufgrund des Festigkeitsverlustes ist es relativ schwierig, ungeschützte Bauteile ohne zusätzliche Maßnahmen vor Brandeinwirkungen zu schützten, da Stahl schon bei einer Temperatur von 600 ° C 50 % seiner Festigkeit verloren hat. Damit ist er meist überlastet, da im konventionellen Stahlbau heutzutage meist plastische Tragwerksreserven auf der Materialseite mitberücksichtigt werden. Wenn man zum Beispiel kaltverformten oder wärmebehandelten Stahl thermischer Beanspruchung aussetzt, so verliert er bereits bei 400 ° C seine Festigkeitssteigerung aus der zuvor erwähnten Behandlungsmethode. Stahl hat zudem den Nachteil, dass bei einer Temperaturerhöhung eine thermische Dehnung einsetzt, welche verglichen mit anderen Baustoffen sehr hoch ist. Dadurch kann es zu Zwangsbeanspruchungen im Bauteil kommen, die in der Kaltbemessung nicht vorhanden waren.
Stahl hat schlechte thermische Eigenschaften für das Bauwesen, insbesondere den Brandschutz. Die Temperaturerhöhung in einem Stahlbauteil hängt von seiner Massigkeit ab. Das bedeutet: Je massiger ein Bauteil ist, umso mehr Energie kann das Bauteil aufnehmen. Wenn nun die Oberfläche gleich bleibt und sich das Volumen erhöht, hat dies niedrigere Temperaturen im Bauteil zur Folge. Diese Eigenschaft eines Bauteils nennt man Profilfaktor A/V. Dabei handelt es sich um das Verhältnis der Oberfläche zum Volumen je Längeneinheit des Bauteils. In DIN 4102 wurde dieser Faktor noch U/A-Verhältnis genannt und bezog sich auf das Verhältnis des Umfangs zur Fläche, was allerdings dasselbe ist, wenn sich der Querschnitt, auf die Länge bezogen, nicht verändert. Zu diesem Profilfaktor gibt es im Eurocode [5] Tabellen, welche zur Berechnung dienen und diese erleichtern.
Erwärmungsverhalten von geschützten Stahlbauteilen
Bei geschützten Stahlkonstruktionen ändert sich das Erwärmungsverhalten zum positiven, da hier die schlechten Temperatureigenschaften des Stahls durch die des Schutzsystems aufgenommen oder kompensiert werden. Als Schutzsysteme kommen meist Stoffe zur Anwendung, welche eine niedrige Wärmeleitfähigkeit besitzen. Zudem haben solche Stoffe meist eine hohe spezifische Wärmekapazität (Speichervermögen). Durch passive Schutzsysteme kann eine immense Erhöhung der Feuerwiderstandsdauer erreicht werden. Dafür sind diese Stoffe oft recht schwer und sollten deshalb in der statischen Berechnung erfasst werden. In EN 1993-1-2 sind allerdings keine Angaben von Materialkennwerten für Bekleidungen oder Beschichtungen gegeben, da diese herstellerabhängig sind. Aus diesem Grund fehlen für die Berechnung von geschützten Bauteilen wichtige Werte, welche aber mittlerweile für die bisher nach DIN 4102-4 geprüften Baustoffe in einem nationalen Anwendungsdokument nachgereicht wurden. Der Profilfaktor setzt sich für diese Bauteile wie folgt zusammen.
Kastenverkleidung: Die Kastenverkleidung ist meistens am besten geeignet, da durch die Verkleidung des Profils der Umfang des Bauteils kleiner wird, die Fläche aber gleich bleibt. Daher wird der Profilfaktor kleiner, was die Massigkeit des Bauteils erhöht. Als Bekleidung werden oft GKF- oder Calcium-Silikat-Platten eingesetzt. Alle großen Platten-Hersteller bieten zudem geeignete Plattensysteme an, welche die Eigenschaften die Feuerbeständigkeit mit sich bringen.
Profilfolgende Verkleidung: Wenn das Erscheinungsbild des Stahlträgers erhalten bleiben soll, empfiehlt sich eine profilfolgende Bekleidung beziehungsweise Beschichtung oder das Aufbringen eines Putzsystems. Der Nachteil einer profilfolgenden Bekleidung ist der Profilfaktor des Querschnitts, da sich dieser nicht verändert. Die Bekleidungsarten sind meist Putzsysteme oder Plattenbekleidungen. Um Putzsysteme aufzubringen, werden meist Drahtgitter an den Trägern angebracht, auf denen dann das Putzsystem hält. Die Bekleidung mit Plattensystemen verläuft analog zu der mit einer Kastenbekleidung, nur dass der Arbeitsaufwand meist höher ist, da Plattensysteme aufwendig zugeschnitten werden müssen. Als Alternative ist noch der Dämmschichtbildner zu nennen, eine Beschichtung, die auf das Bauteil aufgetragen wird und zu den profilfolgenden Bekleidungen gehört. Dieser Dämmschichtbildner quillt bei Erwärmung auf und fungiert dabei als Dämmschicht zwischen dem Bauteil und der Umgebung. Für diese Art der Bekleidung gibt aber noch keine Berechnungsmethode, da die Hochtemperatureigenschaften dieses Stoffes meist nicht genau bekannt sind beziehungsweise zu stark streuen.