Berücksichtigung des Lasterhöhungsfaktors β
Wird in RF-STANZ Pro eine Wandecke oder ein Wandende für den Durchstanznachweis herangezogen, ermittelt das Zusatzmodul die Durchstanzlast aus dem nicht geglätteten Verlauf der Schubkräfte entlang des kritischen Rundschnitts. Bei dieser Ermittlung der Durchstanzlast wird der nicht rotationssymmetrischen Verteilung der Schubkraft entlang des kritischen Rundschnitts bereits dadurch Rechnung getragen, dass der Maximalwert dieser Schubkraft zur Ermittlung der Durchstanzlast angesetzt wird. Diese Betrachtung ist bei der Analyse von Wandecken und Wandenden als Standardeinstellung voreingestellt, sodass sich hierbei der Lasterhöhungsfaktor β stets zu 1,00 ergibt.
Alternativ dazu hat der Anwender auch die Möglichkeit, den geglätteten Verlauf der Schubkraft entlang des kritischen Rundschnitts für die Ermittlung der Durchstanzlast auszuwählen. Zur Berücksichtigung der nicht rotationssymmetrischen Belastung beziehungsweise Verteilung der Schubkraft entlang des kritischen Rundschnitts ist in diesem Fall der Lasterhöhungsfaktor β nach EN 1992-1-1 [1] gemäß Absatz 6.4.3 zu berücksichtigen.
Hierbei ist in RF-STANZ Pro die Ermittlung des Lasterhöhungsfaktors über die vollplastische Schubspannungsverteilung nach 6.4.3 (3) voreingestellt. Alternativ können bei unverschieblichen Systemen mit Spannweitendifferenzen in den angrenzenden Feldern kleiner 25 % auch die β-Werte aus EN 1992-1-1, Bild 6.21N [1] verwendet werden. Durch den deutschen Anhang [2] zur EN 1992-1-1 wurden das Bild 6.21N um die konstanten Faktoren für die Wandecken β = 1,20 sowie für die Wandenden β = 1,35 ergänzt.
Seit der Veröffentlichung des Zusatzmoduls RF-STANZ Pro standen diese beiden Methoden für die Ermittlung des Lasterhöhungsfaktors β zur Verfügung. Ergänzt wurde die programminterne Ermittlung des Lasterhöhungsfaktors durch die Möglichkeit der benutzerdefinierten Vorgabe eines β-Wertes. Seit Veröffentlichung der RFEM-Version 5.09.01 steht in RF-STANZ Pro zusätzlich die Möglichkeit der Ermittlung des Lasterhöhungsfaktors über das Sektorenmodell zur Verfügung.
Sektorenmodell
Die Verwendung des Maximalwertes der Querkraft im Rundschnitt stellt zwar die genaueste Methode für die Ermittlung des Bemessungswertes der Durchstanzlast dar, sie ist aber auch die für Singularitätseinflüsse anfälligste Methode.
Nach Heft 600 des DAfStb [3] stehen für die Bestimmung des β-Faktors nach DIN EN 1997-1-1 (mit NA) folgende Ansätze zur Verfügung:
- genauere Verfahren mit der plastischen Schubspannungsverteilung,
- Sektorenmodell (beziehungsweise Lasteinzugsfläche),
- konstante Faktoren für ausgesteifte Systeme mit annähernd gleichen Stützweiten.
Im Heft 600 des DAfStb [3] unter dem Abschnitt zu 6.3.4 wird als alternative Ermittlung des Lasterhöhungsfaktors β das Sektorenmodell beschrieben. Hierbei kann der Lasterhöhungsfaktor β durch die Division der maximalen Sektorkraft νEd,i durch den Mittelwert der über den kritischen Rundschnitt gemittelten Querkraft νEd,m ermittelt werden. Siehe hierzu auch Bild H6-34 in [3] mit nachfolgender Gleichung:
Die Ermittlung der in [3] angesprochenen Lastscheiden entfällt hierbei beim Ansatz des Sektorenmodells in RF-STANZ Pro, da die tatsächliche Lastverteilung in den RFEM-Flächenschnittgrößen enthalten ist. Es werden somit lediglich die gemittelte Schubkraft entlang des kritischen Rundschnitts und die gemittelte Schubkraft innerhalb der jeweiligen Sektoren benötigt, um den Lasterhöhungsfaktor nach oben beschriebener Gleichung zu bestimmen.
Nach Heft 600 [3] ist die Lasteinzugsfläche ALE in i-Lasteinleitungssektoren Ai zu unterteilen, wobei hier die Empfehlung von drei bis vier Sektoren je Quadrant ausgesprochen wird. RF-STANZ Pro nimmt diese Empfehlung auf und unterteilt jeden Quadranten stets in vier Sektoren. Bei der Bestimmung des Lasterhöhungsfaktor β für eine Einzelstütze ergeben sich demnach 16 Sektoren. Siehe hierzu Bild 03.
Die Anzahl an Sektoren an den jeweiligen Durchstanzstellen wird vom Modul automatisch ermittelt und ergibt sich je nach Geometrie beziehungsweise Lage der Durchstanzstelle.
Querkraft in den einzelnen Sektoren
Nachfolgend soll in einem Beispiel auf die Ermittlung des Lasterhöhungsfaktors für eine Wandecke eingegangen werden. Hierzu wird in der Maske 1.5 folgende Voreinstellung getroffen:
- geglättete Schubkraft über Umfang des kritischen Rundschnitts,
- Bestimmung des Lasterhöhungsfaktors β durch Sektorenmodell.
In der Ergebnismaske 2.1 ergibt sich für dieses Beispiel ein Lasterhöhungsfaktor von β = 1,39. Um diesen Wert aus der RF-STANZ-Pro-Berechnung nachvollziehen zu können, kann im Ergebnisnavigator zwischen den Ergebnisdarstellungen "Querkraft im kritischen Rundschnitt" und "Querkraft in Sektoren" ausgewählt werden.
Der gemittelte Wert der Querkraft über den gesamten kritischen Rundschnitt ergibt sich hierbei zu 10,04 kN/m, der Maximalwert der gemittelten Querkräfte innerhalb der einzelnen Sektoren zu 13,93 kN/m. Daraus resultiert:
Lasterhöhungsfaktor β = 13,93 kN/m / 10,04 kN/m = 1,39
Der ermittelte β-Wert wird in der Ergebnismaske 2.1 dokumentiert.
In diesem Beispiel wurde die Ermittlung des Lasterhöhungsfaktors an einer Wandecke beschrieben, wobei die Durchstanzlast aus den Querkräften im kritischen Rundschnitt abgeleitet wurde. Analog hierzu ist die Methode "Sektorenmodell" auch auswählbar, wenn die Durchstanzlast zum Beispiel aus einer Stützennormalkraft oder einer Lagerkraft eines Knotenlagers entnommen wurde.