Der Ursprung steckt in der Differentialgleichung, die das Gleichgewicht des inneren Moments des Bauteils und des Moments aus der Normalkraft multipliziert mit der Ausmitte an jeder Stelle x des Bauteils beschreibt.
Für das Stabilitätsversagen muss also immer eine Imperfektion gegeben sein. In der Literatur wird diese als Funktion angesetzt, kann jedoch infinitesimal klein sein und lässt sich inkohärent zur kritischen Knicklast selbst ermitteln.
M(x) | inneres Moment an jeder Stelle x |
N | wirkende Drucknormalkraft |
w(x) | Durchbiegung/Verschiebung an beliebiger Stelle x |
E | E-Modul |
I | Flächenträgheitsmoment |
Um die Anzahl Konstanten zu reduzieren, wird eine neue Konstante eingeführt, anhand derer N, E und I substituiert werden.
Die Differentialgleichung des Gleichgewichts innere und äußerer Kräfte kann somit umgeschrieben werden:
Nun stellte Leonhard Euler die erste Ansatzfunktion für die Durchbiegung auf.
Nach dem Bilden der zweiten Ableitung und anschließendem Einsetzen in die Gleichung des Kräftegleichgewichts ergibt sich daraus folgende Gleichung:
Da Exponentialfunktionen niemals 0 werden können, lässt sich der gesamte Term durch diese dividieren.
Da sich hier zwei unabhängige komplexe Lösungen ergeben, lässt sich somit die Differentialgleichung der Durchbiegung anhand einer reellen Linearkombination beider komplexer Gleichungen aufstellen:
Dabei lassen sich die Funktionen in komplexe Kombinationen umschreiben, was dem Prinzip des Einheitskreises entspricht. Dies wird deutlich, wenn man die e-Funktion anhand der Taylorreihenentwicklung veranschaulicht:
('n) | n'-te Ableitung der Ausgangsfunktion |
i | (-1)0,5 |
Betrachtet man die maclaurinsche Reihe der Sinus- und Kosinusfunktion, lässt sich das Prinzip des Einheitskreises und somit auch die folgenden Umstellungen der Differentialgleichung erklären:
Beim Betrachten dieser drei Reihen erschließt sich daraus unmittelbar die Eulersche Funktion:
Da i eine Komplexe Zahl ist und die Funktion sich somit in einen reellen und einen imaginären Teil aufteilen lässt, kann man zunächst die integrationskonstanten A und B, welche sich aus imaginärem und reellen Teil zusammensetzen, einführen:
A | komplexe Integrationskonstante A = c1 |
B | komplexe integrationskonstante B = c2 |
a1 | reeller Teil der Integrationskonstante, die reellen Teil der Funktion steuert |
a2 | imaginärer Teil der Integrationskonstante, die imaginären Teil der Funktion steuert |
b1 | reeller Anteil der Integrationskonstante B, die reellen Teil der Funktion steuert |
b2 | imaginärer Anteil der Integrationskonstante B, die imaginären Teil der Funktion steuert |
Da die Funktion die Durchbiegung widerspiegelt, welche ausschließlich reelle Größen beinhaltet, muss die Funktion auf ihren reellen Teil reduziert werden, sodass die Gleichung die neuen Integrationskonstanten A und B aus rein reellen Teilen besteht:
Dies lässt sich wieder zur Funktion der Bauteilkrümmung ableiten:
Da in diesem Beispiel zunächst eine beidseitig vollgelenkig gelagerte Stütze betrachtet wird, können die Konstanten hier anhand der folgenden Randbedingungen gelöst werden:
Daraus ergeben sich aufgrund der Sinusfunktion mehrere Lösungen als Vielfaches einer natürlichen Zahl von π. Diese Lösungen lassen sich als mehrere Eigenwerte von nur einer Imperfektion definieren. Wichtig ist zu erkennen, dass man somit nicht alle Eigenwerte berechnet, sondern lediglich mehrere Eigenwerte, die demselben Imperfektionsansatz entspringen.
Das Schöne an dieser Herleitung ist das Prinzip, wie unabhängig die kritische Knicklast von einer gewählten Imperfektion ist. Zwar muss eine Imperfektion angesetzt werden, jedoch ist deren Amplitude gänzlich vernachlässigbar; die Berechnung der Imperfektion ist inkohärent zur Berechnung des Stabilitätsversagens.
Dies veranschaulicht, wie gleich letztlich doch die verschiedenen Nachweisverfahren im Stahlbau sind: Während in den Verfahren, die sich dem Ersatzstabnachweis bedienen, anhand dieser idealen Knicklast mit weiteren Abminderungs- und Imperfektionsbeiwerten das daraus resultierende Biegemoment berechnet wird, das zum Tragfähigkeitsnachweis führt, wird in den anderen Nachweisverfahren eine Imperfektion unabhängig von Nachweisformeln angesetzt, deren äquivalente Ersatzlasten dasselbige Biegemoment hervorrufen wie auf unter Ansatz des Stabilitätsnachweises. Der Stabilitätsnachweis ist damit in allen Tragfähigkeitsnachweisen enthalten.
Für den Ansatz der Amplitude der Imperfektion gemäß Nachweisverfahren anhand des Querschnittsnachweises, mit dessen Kombination die aus der idealen Knicklast ergebende Bemessungslast resultiert, liefert folgender Artikel mehr Informationen:
Für den Ansatz der Amplitude gemäß Ersatzstabverfahren, mit dessen Kombination die aus der idealen Knicklast ergebende Bemessungslast resultiert, liefert folgender Artikel mehr Informationen: KB 1897 | Imperfektionen in Nachweisformeln für Biegeknicknachweis
Beim Biegedrillknicken, das in diesem Beitrag nicht abgedeckt wird, ist hier Diskussionsspielraum. Die Gleichungen sind aufgrund von Querkräften über die Trägerlänge hinweg komplexer. Im Zuge der geometrischen Imperfektionen entstehen nicht nur Biegemomente.