Auch wenn viele meinen, mit dem Bau eines Gebäudes sei die Arbeit des Ingenieurs erledigt, stimmt das nicht so ganz. Ein Statiker sollte immer daran denken, dass die Zeit auch dann noch Einfluss auf das Bauprojekt hat, wenn es fertiggestellt ist.
Daher muss das Langzeitverhalten der Materialien bei der Berechnung berücksichtigt werden. Das ist wichtig, weil Langzeiteffekte wie Kriechen, Schwinden und Alterung den Verlauf der Schnittgrößen beeinflussen können. Dieser Einfluss kann mit einer zeitabhängigen Analyse (time-dependent analysis, kurz: TDA) berücksichtigt werden.
Sowohl in RFEM 6 als auch in RSTAB 9 ist es möglich, die zeitabhängigen Faktoren mit dem Add-On "Zeitabhängige Analyse (TDA)" zu berücksichtigen. Nach dem Erwerb können Sie dieses Add-On wie in Bild 1 gezeigt in den Basisangaben aktivieren.
Nach der Aktivierung des Add-Ons werden folgende Dialoge um TDA-relevante Optionen erweitert: "Materialien" in der Kategorie "Basisobjekte" sowie "Lastfälle" und "Lastkombinationen" in der Kategorie "Lastfälle und Kombinationen". Ersterer wird erweitert, um spezifische Eigenschaften zu erfassen und die zeitabhängigen Eigenschaften des Materials festzulegen.
Bitte beachten Sie, dass dies derzeit nur für Beton gilt; das Add-On befindet sich noch in der Entwicklung und wird in Zukunft weitere geeignete Materialien aufnehmen. Bei den letzteren ("Lastfälle" und "Lastkombinationen") werden die Analysetypen um die "Zeitabhängige Analyse (TDA)" erweitert.
Beide werden in den nächsten Abschnitten dieses Beitrags näher erläutert.
Lastfälle und Kombinationen
Sie können zeitabhängige Nachweise für die Lastfälle führen, die dem Analysetyp "Zeitabhängige Analyse" zugeordnet sind. In den Registern "Lastfälle" und "Lastkombinationen" des Dialogs "Lastfälle und Kombinationen" können Sie diesen Analysetyp zuordnen und die zeitbezogenen Parameter festlegen.
Ist in den Basisangaben das Add-On "Zeitabhängige Analyse (TDA)" aktiviert, erscheint die "Statische Analyse | Zeitabhängige Analyse (TDA)" zur Auswahl in der Liste der Analysetypen (Bild 2). Sie können diese Art der Analyse also mit Lastfällen und Kombinationen verknüpfen, für die Sie die zeitabhängige Untersuchung durchführen möchten. Wie in Bild 2 gezeigt, können diese Lastfälle mit Zeitangaben versehen werden, z.B. mit dem Beginn und dem Ende der Belastung.
Bitte beachten Sie, dass Sie die Einstellungen der zeitabhängigen Analyse im Fenster "Statikanalyse-Einstellungen bearbeiten" anpassen können (Bild 3). Sie können die Anzahl der Inkremente für die zeitabhängige Analyse festlegen und den Zeitverlauf definieren. Aktuell steht nur ein "linearer" Verlauf zur Verfügung, jedoch sind andere Zeitverlaufsarten wie z.B. die logarithmische Teilung in Entwicklung.
Im Register "Basis" derselben Maske (Bild 4) kann auch das Ergebnis jeder Laststufe gespeichert werden.
Das Programm ermöglicht dann die Modellierung von Kriecheffekten, wie im folgenden Unterkapitel erläutert. Die Berechnung erfolgt nichtlinear nach dem rheologischen Modell (verallgemeinertes Kelvin-Modell).
Zeitabhängige Materialeigenschaften
Neben der Liste der Analysetypen bei den "Lastfällen und Kombinationen" werden bei Aktivierung des Add-Ons auch die Optionen im Dialog "Material" erweitert, um spezifische Eigenschaften berücksichtigen zu können. Für geeignete Materialien (derzeit nur Beton) steht Ihnen das in Bild 5 dargestellte zusätzliche Register zur Verfügung, um die für die zeitabhängige Analyse relevanten Materialkennwerte zu definieren.
Somit können Sie im Register "Zeitabhängige Kennwerte des Betons" angeben, welche zeitabhängigen Effekte angesetzt werden sollen. Es stehen "Kriechen" und "Schwinden" zur Auswahl. Hakt man beispielsweise das Kontrollfeld "Kriechen" zur Berücksichtigung von zeitabhängigen Verformungen des Materials an, so kann festgelegt werden, aus welchen Parametern das Programm die Kriechzahl φ ermittelt, und man kann auch die Modifizierung der Betonreifung festlegen.
Zusätzlich können Sie Parameter für die Visualisierung des "Kriechzahl-Zeit-Diagramms" definieren, wie beispielsweise die Anzahl der Schritte und das Alter des Betons zum betrachteten Zeitpunkt.
Ergebnisse
Nach der Berechnung können Sie sich die Endzeit-Verformungen für jeden Lastfall anzeigen lassen, wie in Bild 6 dargestellt. Diese Ergebnisse werden für Sie auch im Ausdruckprotokoll von RFEM 6 und RSTAB 9 dokumentiert. Dabei können Sie den Inhalt des Protokolls und die Menge der Datenausgabe für die Nachweise gezielt auswählen.