Das Hyatt-Hotel in Kansas City
Nach nur zwei Jahren Bauzeit eröffnete das Hyatt-Hotel 1980 als Teil des Crown-Center-Komplexes. Mit einer beeindruckenden Höhe von 153,62 m und 40 Stockwerken sicherte es sich von 1980 bis 1986 den Status als höchstes Gebäude des Staates Missouri. Noch heute ist es das drittgrößte in Kansas City. Doch nicht nur durch seine schiere Größe hob es sich von Beginn an ab.
Auf dem Hotel-Korpus befindet sich eine rotierende Einheit, die zur Eröffnung des Gebäudes als Restaurant genutzt wurde – der perfekte Ort für einen ungestörten Blick über die gesamte Stadt. Doch nicht nur im obersten Teil des Hotels gibt es Spannendes zu entdecken. Schon beim ersten Schritt über die Türschwelle beeindruckt die Lobby des Hyatt-Hotels mit einem mehrstöckigen Atrium. Drei hängende Verbindungsbrücken mit einer Länge von 37 m schwebten optisch beinahe über den Köpfen der Gäste.
Was passierte am 17. Juli 1981 im Hyatt-Hotel in Kansas City?
Am 17. Juli 1981 trafen sich hunderte Hotelgäste, aber auch Tanzbegeisterte von außerhalb im Hyatt-Hotel. Seit Eröffnung ein Jahr zuvor war der Tanztee bereits zu einer Tradition geworden. Ganz im Stil der 50er und 60er Jahre tanzten Paare gemeinsam in der weitläufigen Lobby, genossen Live-Musik und das bereitgestellte Buffet.
Doch dieses Mal sollte die beliebte Tanzveranstaltung eine erschreckende Wendung nehmen. Zwei der drei Verbindungsbrücken stürzten nacheinander ein und begruben hunderte Gäste des Tanztees unter ihren Trümmern. Mit 114 Todesopfern und über 200 Verletzten ist diese Katastrophe im Hyatt-Hotel die größte nicht absichtlich herbeigeführte Einsturzkatastrophe in den USA und nach dem 11.09. die größte Katastrophe in der Geschichte der Vereinigten Staaten. Doch wie konnte so etwas passieren?
Hintergründe zur Hyatt-Hotel Katastrophe in Kansas City 1981
Wir haben schon von anderen Baukatastrophen auf diesem Blog gelernt, dass die Ursachen für solch schreckliche Ereignisse nicht selten in den damaligen Umständen zu finden sind. So war es auch hier. Der Einsturz der Verbindungsbrücken im Hyatt-Hotel 1981 war eine Konsequenz der damaligen Baupolitik in den späten 70er Jahren.
Bereits in unserem Beitrag zum Schwabylon in München haben wir vom sogenannten Ölembargo gesprochen. Anfang der 70er Jahre beschlossen die arabischen Länder ein Exportverbot von Waren ins Ausland. Eines dieser unverzichtbaren Ressourcen war Öl. In dieser Folge stieg der Ölpreis weltweit rapide an. Gemeinsam mit der hohen Staatsverschuldung der USA während des Vietnamkriegs schlitterten die Vereinigten Staaten immer weiter in eine tiefe Wirtschaftskrise.
Diese Zeiten waren geprägt von hoher Arbeitslosigkeit und steigenden Zinssätzen für Bauunternehmen. Der Druck auf Letztere stieg immer weiter. Bauprojekte mussten möglichst schnell fertiggestellt werden, so günstig wie möglich. Die Qualität stand hier oft nicht an erster Stelle.
Ziel der Auftraggeber war, in diesen unsicheren Zeiten möglichst schnell mit der Nutzung ihrer Gebäude Gewinn zu erzielen. Lange Bauzeiten waren zu unwirtschaftlich. Mit diesem Hintergrund entstand ein sogenanntes Schnellverfahren zum Bauen großer Gebäude, der Fast-Track-Bau.
Erste Probleme mit solchen Gebäuden gab es schon in den späten 70er Jahren. So stürzte am Hartford Civic Center 1978 das Dach ein und auch die Überdachung der Kemper Arena gab 1979 der ungenügenden statischen Stabilität nach. Der Bau des Hyatt-Hotels dauerte beispielsweise nur etwas mehr als zwei Jahre und auch hier kam es bereits während der Errichtung zu Problemen: 250 m² Dachfläche stürzten ein.
Zeitlicher Ablauf des Einsturzes im Hyatt-Hotel am 17. Juli 1981
Um das Ausmaß dieser Katastrophe zu verstehen, sehen wir uns genauer an, was an diesem Abend geschah. Der Tanztee war also bereits in vollem Gange, die Tanzenden amüsierten sich. Mehrere hundert andere Gäste versammelten sich als Zuschauer auf den Brücken, um die Veranstaltung von oben zu genießen.
Einsturz der Verbindungsbrücken im Hyatt-Hotel
An diesem Freitagabend um 19:05 Uhr hob sich etwas Ungewöhnliches von der ausgelassenen Geräuschkulisse ab: ein metallisches Knallen. Mehrmals und sehr laut. Die Menschen auf dem zweiten Übergang liefen plötzlich panisch in Richtung der sicheren Hotelflure, doch die meisten von ihnen schafften kaum ein paar Schritte, während der Boden unter ihnen absackte.
Dann stürzte die gesamte Verbindungsbrücke hinab. Direkt auf die darunter liegende, welche die zweite Etage der Gebäude miteinander verband. Schon diese wenigen Sekunden kosteten etlichen Menschen das Leben, doch dabei blieb es nicht.
Die zweite Verbindungsbrücke trug nun zusätzlich die Last der ersten und hielt dem nur wenige Augenblicke stand, eh auch sie einstürzte. Noch bevor der Großteil der Tanztee-Gäste im Atrium reagieren konnte, wurden hunderte Menschen unter den Trümmern der beiden Verbindungsstege begraben.
Rettungs- und Bergungsarbeiten im Hyatt-Hotel 1981
Obwohl alle verfügbaren Rettungskräfte sofort informiert und schnell im Hotel angekommen waren, gestaltete sich die Bergung und Versorgung der Verschütteten äußerst schwierig. Auch Freiwillige und Gäste, die den Einsturz unverletzt überstanden hatten, boten ihre Hilfe an.
Das Chaos, die Panik der Menschen und die Berge an Trümmerteilen sorgten dafür, dass sich die Bergung von Verletzten und Toten über Stunden hinweg zog. Viele, die den unmittelbaren Einsturz überlebt hatten, starben in dieser Zeit an inneren Blutungen, erstickten in Hohlräumen oder wurden von sich bewegenden Trümmern getötet.
Das Hyatt-Hotel und die umliegenden Einrichtungen reagierten unvermittelt. Es wurden innerhalb kürzester Zeit provisorische Krankenstationen zur Versorgung der Verletzten errichtet. Ärzte vor Ort mussten die wohl schwersten Entscheidungen treffen, die in ihrer Berufsgruppe getroffen werden müssen: wer überleben durfte und wer nicht.
Neben zahlreichen leichten Verletzungen wie Brüchen, Schnittverletzungen, Prellungen und Schürfwunden häuften sich immer mehr schwerwiegende wie Kopfverletzungen, innere Blutungen, Rückenmarksverletzungen und dadurch letztendlich auch Querschnittslähmungen.
Einige Notfall-Operationen, oft noch vor Ort, retteten Menschen das Leben. Ein Arzt entfernte beispielsweise das eingeklemmte Bein eines Verletzten mit einer Kettensäge, um ihn aus den Trümmern ziehen und versorgen zu können. Letztendlich kostete dieses Unglück 114 Menschen das Leben. Über 250 Gäste überlebten ihre Verletzungen mit teils schweren, bleibenden Schäden.
Das Unglück im Hyatt-Hotel: Suche nach den Ursachen
Die Suche nach der Ursache gestaltete sich als komplexer Prozess. Viele Experten suchten gemeinsam nach dem Grund für den Zusammenbruch der Verbindungsbrücken. Die Verantwortlichen leiteten bereits während der Bergung der Opfer erste Ermittlungen ein. Die Überreste der Verbindungsstege wurden für spätere Analysen gesammelt und auch die Bauzeichnungen wurden eingehend überprüft.
Das Konstruktionsmaterial und Bruchstücke der Überführungen durchliefen eine eingehende Untersuchung mehrerer Tragwerksplanungs-Experten. Dazu gehörte auch die Durchführung von Belastungstests und Modellierungen inkl. Berechnungen zur strukturellen Integrität der Konstruktion. Recht schnell fanden die Experten erste erschreckende Ursachen, welche den Blick auf die Baubranche von dort an für immer verändern würden.
Ursachen für den Einsturz zweier Verbindungsbrücken im Hyatt-Hotel 1981
Erste Ursachen für den Zusammenbruch der Verbindungsstege waren schnell gefunden. Wir fassen euch die wichtigsten Ergebnisse der Gutachten hier kurz zusammen, damit ihr euch einen ersten Überblick verschaffen könnt.
1. Konstruktionsfehler
Die Hauptursache für den Kollaps der Verbindungsbrücken im Hyatt-Hotel war ein gravierender Konstruktionsfehler. Die untere Brücke wurde direkt an der oberen befestigt, anstatt an der ursprünglich geplanten eigenen Aufhängungsstelle.
Dadurch trug die obere Brücke die Last der unteren zusätzlich zur eigenen, war aber den Berechnungen nach nur für die eigene Last ausgelegt. Dieser Umstand war auf eine nachträgliche Konstruktionsänderung zurückzuführen. Kurzgesagt: Das Versagen der Aufhängung war vorprogrammiert.
Durch die enorme Belastung an dieser Stelle am Abend des 17. Juli 1981 versagte die Aufhängung unter der unüblichen Menschenmenge auf beiden übereinander liegenden Verbindungsbrücken. Selbst mit den ursprünglichen statischen Berechnungen hätte diese Struktur dieser Last nicht standhalten können.
Die Möglichkeit einer solchen Menschenmenge auf den Verbindungsstegen war schlicht nicht in der Planung bedacht worden. Bereits unter einem Drittel der Last an diesem Abend hätte die Aufhängung versagt: ein wirklich alarmierendes Ergebnis. Doch dabei blieb es nicht.
2. Änderungen und mangelnde Bauaufsicht
Nicht nur die ursprünglichen statischen Berechnungen waren mangelhaft. Auch beim Bau sowie der Abnahme durch die Bauaufsicht und Inspektion kam es zu erschreckenden Mängeln. Denn die problematischen Baupraktiken, die zum Versagen der Struktur führten, wurden nicht erkannt. Die Änderungen am ursprünglichen Design und die Entscheidung für die Befestigung beider übereinanderliegenden Verbindungsbrücken an einer Aufhängung waren das Ergebnis einer Kostensenkung.
Zusätzlich dazu kam es durch Zeitdruck der Baufirma zu Mängeln und Pfusch bei den Schweißarbeiten, was zu einer geringeren Tragfähigkeit der Aufhängung führte. Dieses erhebliche Sicherheitsrisiko blieb durch unzureichende Inspektion jedoch vollständig unerkannt. Auf dem Papier war also alles in Ordnung, ein Umstand, der 114 Menschen das Leben kostete.
Rechtliche Konsequenzen der Hyatt-Katastrophe in Kansas City
Auf Grundlage der Gutachten wurden Klagen gegen die Baufirma und den Ingenieur, der die Änderungen am ursprünglichen Design genehmigte (Jack D. Gillum) erhoben. Gillum übernahm ohne zu zögern die volle Verantwortung für die Katastrophe.
Er wurde von seiner Ingenieurslizenz suspendiert und später lebenslang gesperrt. Zusätzlich leisteten er und die Baufirma Schadensersatzzahlungen an die Opfer und ihre Familien. Doch was bedeutete dieser Einsturz im Hyatt-Hotel für die Baubranche?
Konsequenzen des Hyatt-Vorfalls für die Bauindustrie
Der Vorfall stieß neue öffentliche Diskussionen an, vor allem zur Bedeutung von Haftungsfragen in der Bauindustrie. Wie sicher sind unsere Gebäude und welche Verantwortung tragen Ingenieure für das Leben der Menschen, die sie später nutzen?
Die gesamte Baubranche erlitt durch den Einsturz der Verbindungsbrücken am 17.07.1981 einen erheblichen Image-Schaden, von dem sie sich vermutlich bis heute nicht gänzlich erholt hat. Diese Katastrophe führte zur Einführung und Durchsetzung strengerer Sicherheitsstandards in den USA, aber auch anderen Teilen der Welt.
Auch in der wissenschaftlichen Forschung erfolgten große Investitionen von Kapital und Personal in den Bereich der strukturellen Integrität von Gebäuden und Konstruktionen. Nicht nur während der Planung und in der Bauphase, sondern auch in den Inspektionen danach sollten nie wieder solche Fehler passieren.
Was Ingenieure aus dem Hyatt-Vorfall lernen können
Ingenieure tragen eine enorme Verantwortung für die Sicherheit der Menschen, indem sie die Integrität von Konstruktionen sicherstellen. Dadurch garantieren sie für eine gefahrenfreie Nutzung ihrer Gebäude.
Auch wenn Wirtschaftlichkeit bei Bauprojekten, gerade bei Großprojekten, ein wichtiger Aspekt ist, sollte Kostenminimierung niemals höher gewertet werden als die Sicherheit der geplanten Strukturen. Leider passiert es in der Baubranche immer wieder, dass strenge Sicherheitsstandards einer angepassten Kostenrechnung weichen müssen.
Ein weiterer wichtiger Punkt sind regelmäßige, gründliche Qualitätskontrollen sowie eine gründliche Überwachung des gesamten Bauprozesses. Dadurch wird es erst möglich, Probleme frühzeitig zu erkennen, zu melden und – ganz wichtig – auch zeitnah zu beheben. Strengere Regulierungen sollten wir nicht immer nur als zeitraubende Einschränkung, sondern als Leitfaden für sicheres Bauen betrachten.
Auch eine transparente, offene und klare Kommunikation innerhalb des Ingenieurteams sowie gegenüber anderen am Bau Beteiligten ist enorm wichtig. Diese Worte schreiben wir in unserem Blog in beinahe jedem Beitrag zu gescheiterten Bauprojekten und Tragödien der Baubranche. Umso wichtiger sind sie. Offene Kommunikation aller Beteiligten beugt Missverständnissen vor und schafft ein produktives Arbeitsklima.
Aus Katastrophen wie dem Einsturz der Verbindungsbrücken im Hyatt-Hotel 1981 zu lernen, sollte selbstverständlich sein. Nur durch das Lernen aus Fehlern ist es uns möglich, solche Tragödien künftig zu verhindern. Seit 1981 hat sich in der Baubranche vieles verändert, einige Dinge sind jedoch geblieben, wie die teils intransparente Kommunikation der beteiligten Branchen untereinander. Es bleibt zu hoffen, dass gerade Trends wie die Digitalisierung und branchenübergreifende Zusammenarbeit hier in Zukunft weiteres ins Positive verändern können.