7954x
001623
27. Februar 2020

Nichtlineare Berechnung einer Bodenplatte aus Stahlfaserbeton im Grenzzustand der Tragfähigkeit mit RFEM

Stahlfaserbeton wird heutzutage vor allem für Industriefußböden beziehungsweise Hallenböden, gering beanspruchte Fundamentplatten, Kellerwände und Kellersohlen eingesetzt. Seit der Veröffentlichung der ersten DAfStb-Richtlinie Stahlfaserbeton im Jahre 2010 liegt dem Tragwerksplaner ein bauaufsichtlich eingeführtes Regelwerk für die Bemessung des Verbundwerkstoffes Stahlfaserbeton vor, wodurch der Einsatz von Faserbeton in der Baupraxis immer beliebter wird. Dieser Artikel geht auf die Vorgehensweise der nichtlinearen Berechnung einer Fundamentplatte aus Stahlfaserbeton im Grenzzustand der Tragfähigkeit im FEM-Programm RFEM ein.

In einen früheren Fachbeitrag wurden bereits die Bestimmung der Materialeigenschaften von Stahlfaserbeton sowie die Umsetzung dieser Materialparameter im FEM-Programm RFEM erläutert.

Der Einsatz von reinen Stahlfaserbetonen erfolgt hauptsächlich für Industrieböden und mäßig beanspruchte Fundamentplatten. Eine linear elastische Schnittgrößenermittlung liefert für rein faserbewehrte Bauteile keine wirtschaftlichen Ergebnisse. Für den Grenzzustand der Tragfähigkeit werden daher meist plastische Methoden verwendet. Diese plastischen Ansätze sind aber für den Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit eher ungeeignet. Eine nichtlineare FEM-Berechnung hingegen ist unabhängig vom untersuchten Grenzzustand immer durchführbar. Mittels der iterativ ermittelten Schnittgrößen erfolgt anschließend eine Bemessung "zu Fuß".

Eingabe der Topologie und der Lasten

Die Eingabe der Bodenplatte erfolgt als gebettete Fläche. Für die Fundamentplatte dieses Fachbeitrages wird die Bettung mit dem Verfahren des "effektiven Baugrundes" nach Kolar und Nemec [3] realisiert. Dabei wird der angrenzende Baugrund durch zusätzliche Linienfedern und Einzelfedern in den Ecken berücksichtigt (siehe hierzu auch diesen Artikel).

Alternativ ist auch eine Berechnung der Flächenbettung mit dem Zusatzmodul RF-SOILIN möglich.

Der Nachweis der Tragfähigkeit wird anhand der Lasten aus den Regalstielen und der Last unter den Regalen gezeigt. Die Regalstiellasten werden als freie Rechtecklasten definiert. An den Regalstielen wurden zusätzlich Punkte mit Netzverdichtungen angeordnet, damit die Last auf mehreren Elemente verteilt in die Sohlplatte eingeleitet wird.

Definition der Materialeigenschaften

Für das Abbilden des Materialverhaltens von Stahlfaserbeton eignet sich in RFEM am besten das Materialmodell "Isotrope Beschädigung 2D/3D" des Zusatzmoduls RF-MAT NL. Als Stahlfaserbeton wird ein Beton C30/37 L1,2/L0,9 nach DIN EN 1992-1-1 [2] und DAfStB-Stahlfaserrichtlinie [1] mit den beiden Leistungsklassen L1/L2 = L1,2/L0,9 verwendet. Für eine nichtlineare Berechnung ist auf der Druckseite des Spannungs-Dehnungs-Diagramms der parabolische Verlauf nach 3.1.5 [2] anzusetzen. In nachfolgendem Bild wird der charakteristische Verlauf der Arbeitslinie des oben genannten Stahlfaserbetons gezeigt.

Die charakteristische Spannungs-Dehnungs-Linie ist für den Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit anzuwenden. Für die nichtlineare Berechnung des Grenzzustandes der Tragfähigkeit ist nach Kapitel 5.7 der DAfStb-Richitline Stahlfaserbeton [1] Folgendes anzusetzen:


Für reine Stahlfaserbetonbauteile ist γR mit 1,4 anzusetzen.

Der Teilsicherheitsbeiwert γR kann entweder auf der Widerstandsseite bei der Eingabe der Materialeigenschaften oder auf der Einwirkungsseite berücksichtigt werden. In diesem Beitrag wird der globale Teilsicherbeiwert γR direkt bei der Definition der nichtlinearen Arbeitslinie angesetzt. Bild 03 zeigt die abgeminderte Spannungs-Dehnungs-Linie für den Nachweis der Tragfähigkeit im Vergleich zu der charakteristischen Arbeitslinie für den GZG.

Bei nichtlinearen Berechnungen ist die Last stufenweise aufzubringen. Sollte die Berechnung eines Lastinkrements nicht innerhalb der voreingestellten maximalen Anzahl der Iterationsschritte konvergieren, so ist in den Berechnungsparamatern die maximale Anzahl der Iterationsschritte zu erhöhen. Zusätzlich kann mit der Wahl des unsymmetrischen Gleichungslösers in den Berechnungsparamentern eine bessere Konvergenz bei Verwendung eines nichtlinearen Materialmodells erreicht werden.

Nachweis des Grenzzustandes der Tragfähigkeit

Der Grenzzustand der Tragfähigkeit gilt als erreicht, wenn

  • die kritischen Grenzdehnungen des Stahlfaserbetons, εcu1 auf der Druckseite, εfct,u auf der Zugseite, erreicht werden.
  • der kritische Zustand des indifferenten Gleichgewichts am Gesamtsystem beziehungsweise an Teilen davon erreicht wird.

Nach erfolgreicher nichtlinearer Berechnung der Sohlplatte werden die maximalen und minimalen Dehnungen an der Ober- und Unterseite überprüft. Werden die kritischen Grenzdehnungen nicht überschritten, so ist der Grenzzustand der Tragfähigkeit nachgewiesen.

Nachfolgende Dehnungen wurden für den Grenzzustand der Tragfähigkeit berechnet.

Oberseite:

  • maximale Druckdehnung εmin- = -1,9 ‰ < 3,5 ‰
  • maximale Zugdehnung εmax- = 4,2 ‰ < 25,0 ‰

Unterseite:

  • maximale Druckdehnung εmin+ = -1,05 ‰ < 3,5 ‰
  • maximale Zugdehnung εmax+ = 9,9 ‰ < 25,0 ‰

Bild 05 zeigt die maximale Verzerrung an der Oberseite (-z) der Fundamentplatte.

Mit der Einhaltung der Grenzdehnungen konnte die Tragfähigkeit auf Biegung erfolgreich nachgewiesen werden. Zusätzliche Nachweise im Grenzzustand der Tragfähigkeit, zum Beispiel Durchstanzen, sind noch gesondert durchzuführen.

Empfehlungen für nichtlineare Berechnung mit dem Materialmodell "Isotrope Beschädigung 2D/3D"

Aufgrund der polygonalen Definition der Spannungs-Dehnungs-Linie als Diagramm erwartet RFEM als Elastizitätsmodul des Stahlfaserbetons den Tangentenmodul im Ursprung der Spanungs-Dehnungs-Linie. Das heißt, dass der voreingestellte Sekantenmodul für Beton bei der Eingabe der Stahlfaserbetonarbeitslinie ebenfalls angepasst werden muss. Der jeweils erste Polygonalpunkt auf der Druck- bzw. Zugseite der Arbeitslinie erwartet als Steigung den E-Modul des Materials.

Als Eingabehilfe bzw. Hilfsmittel für die Berechnung der Diagrammpunkte ist dem Fachartikel eine Exceldatei angehängt. In diesem Excelfile kann in Abhängigkeit des untersuchten Grenzzustandes, GZT oder GZG, die zu verwendende Spannungs-Dehnungs-Linie ermittelt werden und mittels der Zwischenablage in den RFEM-Eingabedialog übertragen werden. Die Vorgehensweise wird auch im angehängten Video gezeigt.

Die definierten Spannungs-Dehungs-Diagramme können in RFEM abgespeichert werden und in anderen Projekten wieder verwendet werden. So kann man sich eine eigene Materialbibliothek von Stahlfaserbetonen in RFEM anlegen.

Aufgrund der markanten Nichlinearität sollte die Last in mehreren Lastinkrementen aufgebracht werden. Die Anzahl der Laststufen sollte dabei so gewählt werden, dass das System im ersten Lastinkrement im linear elastischem Zustand bleibt. Dadurch wird das Konvergenzverhalten der Berechnung verbessert. Die Anzahl der Lastinkremente kann zum einen global in den Berechnungsparametern und zum anderen lokal für jede Lastkombination beziehungsweise jeden Lastfall einzeln gesteuert werden. Für die Bemessungslast im Grenzzustand der Tragfähigkeit für die oben gezeigte Bodenplatte haben sich 20 Lastinkremente als vorteilhaft für die Iteration herausgestellt. Die 20 Lastinkremente wurden lokal für die Lastkombination vorgegeben (Bild 08).


Autor

Herr Meierhofer leitet die Entwicklung im Bereich Massivbau und unterstützt das Kundensupport-Team bei Anfragen zur Stahlbeton- und Spannbetonbemessung.

Links
Referenzen
  1. Stahlfaserbeton - Ergänzungen und Änderungen zu DIN EN 1992-1-1 in Verbindung mit DIN EN 1992-1-1/NA, DIN EN 206-1 in Verbindung mit DIN 1045-2 und DIN EN 13670 in Verbindung mit DIN 1045-3; DAfStb Stahlfaserbeton:2012-11
  2. Nationaler Anhang - National festgelegte Parameter - Eurocode 2: Bemessung und Konstruktion von Stahlbeton- und Spannbetontragwerken - Teil 1-1: Allgemeine Bemessungsregeln und Regeln für den Hochbau; DIN EN 1992-1-1/NA:2013-04
  3. Kolář, V.; Němec, I.: Modeling of Soil-Structure Interaction, 2. Auflage. Amsterdam: Elsevier Science Publishers with Academica Prague, 1989
Downloads


;