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29. Mai 2019

Unterschiede der analytischen und der nichtlinearen Verformungsberechnung von Stahlbeton

Für die Berechnung der Verformung im gerissenen Zustand stehen verschiedene Verfahren zur Verfügung. In RFEM sind ein analytisches Verfahren nach DIN EN 1992-1-1 7.4.3 und ein physikalisch-nichtlineares Verfahren implementiert. Beide Verfahren haben unterschiedliche Charakteristika und können je nach Anwendungsfall besser oder schlechter geeignet sein. Dieser Beitrag soll einen Überblick über die beiden Berechnungsverfahren geben.

Berechnungsmethode analytisch

In RF-BETON Deflect ist das analytische Berechnungsverfahren nach DIN EN 1992-1-1 [1] 7.4.3 implementiert. Das heißt, dass über den Verteilungsbeiwert ζ gewissermaßen die Schädigung oder auch Mitwirkung des Betons in der Zugzone bestimmt wird. Das System kann sich zwischen dem Zustand I (ungerissen, ζ=0) und Zustand II (gerissen, ζ=1) befinden. In RF-BETON Deflect wird mit Hilfe von ζ letztendlich eine mittlere Steifigkeit bestimmt. Basierend auf diesen Werten wird danach die Verformung erneut berechnet. Infolge der Steifigkeitsänderung erfolgt aber keine erneute Berechnung der Schnittgrößenverteilung. Das heißt, das Verfahren ist nicht iterativ. Weitere detaillierte Informationen zu RF-BETON Deflect finden sich im in Kapitel 2.7 des Handbuchs RF-BETON Flächen [2].

Berechnungsmethode physikalisch-nichtlinear

In RF-BETON NL ist ein physikalisch-nichtlineares Berechnungsverfahren implementiert. Die Berechnung läuft iterativ. Das heißt, infolge der Belastung wird eine Steifigkeit bestimmt, in deren Folge wiederum die Schnittgrößenverteilung ermittelt wird. Diese Berechnung läuft als iterativer Prozess. Die Iterationen laufen so lange, bis ein Konvergenzkriterium erreicht ist. Das ist der Fall, wenn entweder die Änderung der Steifigkeit oder die Änderung der Verformung im Bezug auf den vorangegangenen Iterationsschritt unter dem Konvergenzkriterium liegt.

Intern wird bei der nichtlinearen Berechnungsmethode das FE-Element geschichtet abgebildet, wobei den einzelnen Schichten unterschiedliche Materialien zugeordnet werden (Bewehrung und Beton) und die einzelnen Beton-Schichten während der Berechnung unterschiedliche Steifigkeiten annehmen können (Aufreißen des Betons).

Hierzu finden sich detaillierte Informationen im Handbuch RF-BETON Flächen [2] in Kapitel 2.8.

Charakteristika der beiden Methoden im Vergleich

Analytische Berechnungsmethode | RF-BETON Deflect

Sehr schnelles Berechnungsverfahren, welches sich durchaus auch für große Strukturen eignet.

Sollte aufgrund des theoretischen Ansatzes aus DIN EN 1992-1-1 [1] 7.4.3 nur für biegebeanspruchte Bauteile, also Platten, verwendet werden.

Kriechen wird als Abminderung des E-Moduls des Betons auf den gesamten Querschnitt angesetzt.

Infolge des Schwindens wird eine zusätzliche Verkrümmung bestimmt, die gewissermaßen auf die Verformungen aufaddiert wird.

Physikalisch-nichtlineare Berechnungsmethode | RF-BETON NL

Sehr genaues und universell einsetzbares Verfahren, welches nicht nur auf biegebeanspruchte Bauteile beschränkt ist (zum Beispiel auch bei wandartigen Trägern einsetzbar).

Kriechen wird als Abminderung des E-Moduls des Betons auf den Betonquerschnitt in der Druckzone angesetzt.

Schwinden wird intern auf der Lastseite als Dehnung berücksichtigt, wobei in diesem Zusammenhang auch ein Versagen infolge verhinderter Schwinddehnung abbildbar ist.

Die Berechnung ist wesentlich komplexer als das analytische Verfahren und demnach auch teilweise deutlich rechenintensiver.

Einsatzbereiche der Methoden

Bei der Frage welches Verfahren in welcher Situation anzuwenden ist, gibt es vier Anhaltspunkte zur Entscheidungsfindung.

1. Belastungssituation

Bei Strukturen, in denen einzelne Bauteile mit unterschiedlicher Beanspruchungssituation gemeinsam wirken, ist die nichtlineare Methode anzuwenden, da deren Einsatz nicht auf biegebeanspruchte Bauteile beschränkt ist. Ein Beispiel dafür ist ein auskragendes Geschoss.

Eine Struktur, die vorrangig Scheibenbeanspruchung aufweist, ist aufgrund der Belastungssituation ebenfalls mit der physikalisch-nichtlinearen Methode aus RF-BETON NL zu betrachten. Ein Beispiel dafür ist ein wandartiger Träger.

2. Strukturgröße

Bei großen Strukturen sollte die physikalisch nichtlineare Methode aufgrund des Berechnungsaufwandes vermieden werden, insofern das möglich ist.

3. Geforderte Genauigkeit

Ist der Nachweis der Verformung nach DIN EN 1992-1-1 [1] 7.4.1 (4) für das Erscheinungsbild zu führen, ist das einfachere analytische Verfahren gegebenenfalls ausreichend genug und es muss in Anbetracht des Nachweiszwecks keine unnötig genaue Methode gewählt werden.

Ist der Nachweis der Verformung nach DIN EN 1992-1-1 [1] 7.4.1 (5) zur Vermeidung der Beschädigung angrenzender Bauteile zu führen oder sind eventuell Abstandshalter zu dimensionieren, so lohnt sich im Zusammenhang mit dem Nachweiszweck eine genauere Betrachtung. Es ist hier unter Umständen nicht nur von Bedeutung, dass der ermittelte Verformungswert kleiner als der geforderte Grenzwert ist, sondern ebenfalls, dass der Verformungswert möglichst genau bestimmt wird.

4. Berücksichtigung spezieller Effekte

Hier ist insbesondere das Schwinden von Bedeutung. Während bei der analytischen Methode in RF-BETON Deflect eine zusätzliche Krümmung infolge des Schwindens ermittelt wird, kann das Schwinden bei der physikalisch-nichtlinearen Methode genauer berücksichtigt werden. In RF-BETON NL wird das Schwinden lastseitig als Dehnungslast berücksichtigt und kann sowohl zu einer zusätzlichen Krümmung als auch zu zusätzlichen Zwangsbeanspruchungen im System führen. Infolge der Zwangsbeanspruchung kann Schwinden wiederum zum Aufreißen des Betons führen. In diesem Zusammenhang ist eine möglichst genaue Abbildung der Auflager wichtig, insbesondere der horizontalen Auflager.

Im Zusammenhang mit der physikalisch-nichtlinearen Berechnung kann des Weiteren eine zusätzliche Größe bei der Rissbreitenrichtung ermittelt werden. Durch die Schichtung des Elements ist es möglich, die Risstiefe zu bestimmen und auszugeben.


Links
Referenzen
  1. Handbuch RF-BETON Flächen. Tiefenbach: Dlubal Software, Mai 2018.
  2. EN 1992-1-1: Bemessung und Konstruktion von Stahlbeton- und Spannbetontragwerken – Teil 1-1: Allgemeine Bemessungsregeln und Regeln für den Hochbau. Beuth Verlag GmbH, Berlin, 2004


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