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30. Januar 2018

Unterschiede der Berechnungstheorien in der Baustatik

Bei der statischen Dimensionierung von Tragwerken nach den geltenden Regelwerken stehen oftmals mehrere Möglichkeiten beziehungsweise Berechnungstheorien zur Ermittlung der Schnittgrößen zur Verfügung. Der Anwender muss hierbei entscheiden, welche Theorie geeignet ist, um das Bauwerk damit nachzuweisen.

Grundsätzlich wird zwischen zwei Theorien unterschieden: Berechnung nach Theorie I. Ordnung und Berechnung nach Theorie II. Ordnung. Als Sonderform der Berechnung nach Theorie II. Ordnung steht die Berechnung nach Theorie III. Ordnung zur Verfügung.

Grundlagen Berechnungsmodell

Als Berechnungsbeispiel dient eine Kragstütze mit der Länge 3,0 m. Die Kopfbelastung beträgt horizontal 18 kN in Richtung der starken Achse sowie 30 kN in vertikaler Richtung. Der betrachtete Querschnitt wird als HEA 180 aus dem Material Baustahl S235 angenommen.

Berechnung nach Theorie I. Ordnung

Eine Berechnung der Schnittgrößen nach Theorie I. Ordnung beschreibt eine lineare Berechnung am unverformten System. Es wird vorausgesetzt, dass keine Verformungen vorhanden sind. In sehr vielen Fällen der allgemeinen Statik reicht diese Betrachtungsweise auch aus.

Das Moment am Stützenfuß errechnet sich hierbei zu:

Berechnung nach Theorie II. Ordnung

Die Berechnung nach Theorie II. Ordnung beschreibt eine nichtlineare Berechnung des Systems am verformten System. Dies bedeutet, dass die auftretenden Verformungen Einfluss auf die Schnittkräfte haben. Die einwirkende Normalkraft erhöht das Moment am Fußpunkt zusätzlich.

Das Moment beträgt in diesem Fall:

Diese Theorie setzt jedoch kleine Verformungen voraus, da nur Verformungen, jedoch keine Verdrehungen des Systems mit betrachtet werden. In der EDV-Berechnung wird üblicherweise eine lineare Berechnung zur Ermittlung der Stablängskräfte vorangestellt und in der zweiten Iteration das Zusatzmoment aus der Verformung berechnet. Der Iterationsverlauf von RFEM spiegelt dieses Verhalten wider.

Die Änderung der Schnittgrößen N und V bezüglich der Verformung wird nach dieser Theorie nicht weiter betrachtet. In RFEM ist es jedoch möglich, die Schnittgrößen aus Theorie II. Ordnung auf die verformte Struktur umzurechnen und damit die Bemessung durchzuführen.

Berechnung nach Theorie III. Ordnung

Diese Berechnungsmethode berücksichtigt auch die Verdrehungen des Systems. Sie ist, wie eine Berechnung nach Theorie II. Ordnung, eine nichtlineare Berechnung. Es wird nach jedem Iterationsschritt die Steifigkeitsmatrix des verformten Systems neu gebildet und die Berechnung weitergeführt, bis sich Gleichgewicht einstellt.

Das Moment am Stützenfuß ergibt sich zu:

Der Vergleich der Stabschnittgrößen zeigt weiter, dass die Berechnung nach Theorie III. Ordnung auch Einflüsse auf die Quer- und Normalkräfte der Struktur hat.

Fazit

Die Ergebnisse der verschiedenen Berechnungstheorien zeigen auf, dass die Verformung durchaus Einfluss auf die Schnittgrößen hat. Dabei stellt sich die Berechnung nach Theorie III. Ordnung als wohl genaueste dar, jedoch auch als die mit dem größten Berechnungsaufwand. Zudem können bei Theorie III. Ordnung Einflüsse (Torsionskräfte etc.) entstehen, welche wiederum Schwierigkeiten bei der weiteren Bemessung schaffen. Es ist daher vom Aufsteller einer Statik genau zu prüfen, welche Berechnungsart für das ihm gegebene System erforderlich ist. Ein Leitsatz könnte dabei sein, die Berechnung "so einfach wie möglich, jedoch so genau wie nötig" durchzuführen.


Autor

Herr Lex betreut die Entwicklung im Glasbau und sorgt für die Qualitätssicherung des Programms RFEM. Zudem ist er im Kundensupport aktiv.

Links
Referenzen
  1. Handbuch RFEM, Dlubal Software. Tiefenbach, März 2020.
  2. Schneider, K.-J.: Bautabellen für Ingenieure mit Berechnungshinweisen und Beispielen, 22. Auflage. Köln: Bundesanzeiger, 2016
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