In der Regel wird diese Einstufung unter der Annahme vorgenommen, dass die Spannung im Querschnittsteil die Streckgrenze erreicht. In anderen Normen, zum Beispiel der Vorgängernorm DIN 18800, wurden die b/t-Grenzen jedoch auf Grundlage der tatsächlichen Spannungen im Querschnitt bestimmt. Daraus können sich nach Eurocode 3 insbesondere für Spannungen unterhalb der Streckgrenze ungünstigere Grenzen ergeben.
Anpassung des Materialbeiwertes für Querschnittsnachweise
Nach EN 1993-1-1 kann eine Anpassung an die tatsächliche Druckspannung im Querschnitt über den erhöhten Materialbeiwert ε nach Abschnitt 5.5.2 (9) erfolgen. Bei Stabilitätsnachweisen nach Abschnitt 6.3 ist diese pauschale Anpassung jedoch nicht vorgesehen. In RF-/STAHL EC3 ist diese Option daher nur verfügbar, wenn die Stabilitätsnachweise deaktiviert sind.
Reduzierte Beulschlankheit auch für Stabilitätsnachweise möglich
Der Beulschlankheitsgrad kann nach EN 1993-1-5, 4.4 (4) auf Grundlage der einwirkenden Druckspannung iterativ verbessert werden. Die Druckspannung ist dabei für Stabilitätsnachweise unter Ansatz von globalen Imperfektionen und nach Theorie II. Ordnung zu ermitteln.
λp,red | Reduzierter Beulschlankheitsgrad |
λp | Beulschlankheitsgrad |
σcom,Ed | Bemessungswert der Druckspannung |
fy | Streckgrenze |
γM0 | Teilsicherheitsbeiwert für Querschnittsbeanspruchbarkeit |
Ermittlung der effektiven Breiten nach Anhang E
Nach Anhang E der EN 1993-1-5 dürfen anschließend die angepassten Formeln für die Ermittlung des Abminderungsfaktors für Plattenbeulen genutzt werden.
ρ | Angepasster Abminderungsfaktor |
λp,red | Reduzierter Beulschlankheitsgrad |
λp | Beulschlankheitsgrad |
ψ | Spannungsverhältnis |
Die Nutzung des reduzierten Beulschlankheitsgrades sowie die Berechnung des angepassten Abminderungsfaktors nach Anhang E kann in den Detaileinstellungen von RF-/STAHL EC 3 aktiviert werden.
Beispiel
Im folgenden Beispiel wird eine 6m lange Pendelstütze (QRO 300x6,3, warmgefertigt) aus S355 für eine einwirkende Bemessungsdruckkraft von 1950 kN nachgewiesen.
Hierbei werden die effektiven Querschnittswerte unter Berücksichtigung der tatsächlichen Druckspannung+ nach Anhang E ermittelt. Bei der vorliegenden Pendelstütze sind die globalen Imperfektionen sowie die Effekte nach Theorie II. Ordnung ohne Einfluss, so dass hier die Schnittgrößenermittlung nach Theorie I. Ordnung ohne Imperfektionen ausreichend ist.
Zum Vergleich wird zunächst der Nachweis ohne Nutzung von Anhang E versucht. Da auch der Stabilitätsnachweis geführt werden soll, ist eine Erhöhung des Materialbeiwerts epsilon zur Berücksichtigung der tatsächlichen Druckspannungen bei Bestimmung der Querschnittsklasse nicht möglich.
Der Querschnitt wird anhand der c/t-Verhältnisse in die Querschnittsklasse 4 eingeordnet. Nach EN 1993-1-5, 4.4 ergeben sich die Querschnittswerte unter Annahme des Erreichens der Streckgrenze.
Mit diesen Querschnittswerten ist der Nachweis nicht erfüllt.
Nach Aktivierung des Anhang E in den Detaileinstellungen wird die tatsächliche Größe der Druckspannungen berücksichtigt. Der reduzierte Schlankheitsgrad wird iterativ ermittelt und die günstigeren effektiven Querschnittswerte nach EN 1993-1-5, Anhang E können für den Nachweis verwendet werden.
Der Nachweis mit den Querschnittswerten nach Anhang E gelingt.
Fazit
Die Berechnung der effektiven Querschnittswerte nach EN 1993-1-5, 4.4 geht zunächst vom ungünstigsten Fall aus, dass die vorhandene Druckspannung in den Querschnittsteilen gleich der Streckgrenze ist. Sind die real vorhandenen Druckspannungen jedoch wesentlich geringer, so verringert sich dadurch die tatsächliche Beulgefahr und es kann ein größerer effektiver Querschnitt berücksichtigt werden. Die Ermittlung der Querschnittswerte mit dem effektivem Schlankheitsgrad nach Anhang E ermöglicht in diesen Fällen eine deutlich wirtschaftlichere Bemessung.
Zu beachten ist, dass die tatsächlichen Druckspannungen nach Theorie II. Ordnung unter Ansatz von globalen Imperfektionen ermittelt werden müssen.