Mehr Lehm für die (Um-)Welt
Ursprünglich hat Stephan Egginger Öko- und Energietechnik in Österreich studiert. Damit lag sein Schwerpunkt relativ früh auf alternativen Energien und energieeffizientem Bauen. Dem Studium schloss er eine Ausbildung zum Baubiologen und eine Fortbildung zum Energieberater an. Ziemlich umfangreich, wie wir finden!
Nun ist er Geschäftsführer und für Vertrieb, Organisation und Herstellung der Baustoffe zuständig. Sein Unternehmen sitzt in Malching (Niederbayern) und hat sich auf den Verkauf natürlich vorkommender Baustoffe spezialisiert, dabei vor allem auf Lehm. Sie bauen ihren Lehm sogar selbst ab und beraten bei Projekten verschiedenster Größen zum Einsatz des urtümlichen Baustoffs Lehm.
Was ist Lehmbau?
Tatsächlich ist es ein Sammelbegriff für "Bauen mit Lehmbaustoffen". Werden hier ganze Häuser aus Lehm gebaut? Auch wenn das möglich – und in vielen Ländern auch üblich – ist, macht so etwas in unseren Breiten nicht unbedingt Sinn. Gestampfter Lehm und ungebrannte Lehmziegel eignen sich beispielsweise für einzelne Wände sehr gut. Genutzt wird Lehm als Baustoff vor allem im Innenausbau.
Hier gibt es zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten, z.B.:
- Trockenbau mit Lehmbauplatten
- Lehmputz
- Lehmschüttungen
- Lehmfarben
- Weitere historische Lehmbautechniken (bei Denkmalschutz-Objekten)
Eigenschaften von Lehm als Baustoff
Je nachdem, um welche Form des Lehmbaus es geht, kommen unterschiedliche Eigenschaften zum Tragen. Lehm an sich ist ein sehr schwerer Baustoff, was gerade in der Statik berücksichtigt werden muss, beispielsweise bei Aufstockungen von Gebäuden. Des Weiteren ist Lehm relativ druckfest, je nachdem, welche Mischung oder welches Produkt verwendet wird.
Interessant ist auch, dass Lehm nachweislich das Raumklima verbessert. Der Baustoff ist in der Lage, große Mengen Feuchtigkeit aus der Luft aufzunehmen und langsam wieder zu entlassen. Anlaufen von Fliesen und Fenstern im Bad? Mit freien Lehmflächen gehört so etwas der Vergangenheit an. Auch im Schlafzimmer führt dieser Effekt dazu, dass die Luft nicht so schnell "muffig" oder eher "veratmet" erscheint. Denn auch das hat mit der Luftfeuchte zu tun.
Bleiben wir beim Thema Feuchtigkeit. Stephan erklärt uns, dass Lehm nur durch Austrocknung wirklich fest wird. Zur Verarbeitung wird er mit Wasser angerührt und dadurch weich. Dann kann er beispielsweise als Putz an die Wand gebracht werden. Das Besondere an Lehm ist, dass er Wasser nicht hydraulisch einbindet, wie z.B. Zement. Dieses Wasser entweicht durch Verdunstung wieder aus der Mischung und lässt ein festes, trockenes Material zurück.
- "Das Spannende ist, dass Lehm reversibel ist."
Diese Anmerkung lässt uns natürlich aufhorchen und Stephan führt es weiter für uns aus. Getrockneter Lehm kann unter Zugabe von Feuchtigkeit wieder weich werden. Es ist also möglich, und durchaus auch üblich, Lehmputz selbst bei 100 Jahre alten Häusern von den Wänden in einen Eimer zu klopfen und diesen mit Wasser wieder zu neuem Lehmputz anzurühren. Damit ist Lehm uneingeschränkt recycelbar!
Da Lehm aber wasserlöslich ist, eignet er sich in unseren Breiten natürlich nicht wirklich für den Außenbereich. Durch Regen würde dadurch ständig Material abgetragen werden. Daher wird Lehm an z.B. Fassaden hauptsächlich dort verwendet, wo es kaum bis fast nie regnet. In Mitteleuropa gibt es nur sehr wenige historische Bauten, bei denen Lehm im Außenbereich angewandt wurde – damals wohl aus Mangel an Alternativen, vermutet Stephan.
- "Lehm gehört nach innen, nicht nach außen."
Geschichte des Lehmbaus
Gemeinsam mit Stein und Holz gehört dieser Baustoff zu den frühesten Begleitern der Menschheit. Demnach hat Lehm als Baumaterial eine Geschichte, die weit zu unseren Anfängen zurückreicht. Ein schönes Beispiel sind dafür die südafrikanischen Rundhütten, die schon seit jeher ihre Bewohner vor der Umwelt schützen. Auch in Mitteleuropa wurde bis etwa zu den 1940er Jahren viel mit Lehm gebaut. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Lehm nach und nach von moderneren Baustoffen verdrängt.
Vor allem ab etwa 1960/70 wurde bei unseren Fachwerkhäusern viel an Lehmgefache herausgenommen und durch Zement ersetzt. Das Problem dabei?
- "Plötzlich ist nach 10-15 Jahren mehr an Fachwerk kaputt gegangen als in dreihundert Jahren zuvor."
Der Grund dafür? Relativ einfach: Lehm hat dem Fachwerk-Holz seine Feuchtigkeit entzogen und es damit konserviert. So hielt es einfach wesentlich länger, sprich gute 300-400 Jahre, ohne dass etwas erneuert werden musste. Für Neubauten ist das natürlich nicht sonderlich interessant. Erst seit etwa 20 Jahren wird Lehm wegen seiner ökologischen und gesundheitlichen Eigenschaften wieder mehr für den Bau genutzt.
Warum liegt hier Stroh?
Gerade in historischen Bauten sieht man immer wieder, dass Stroh unter Lehm gemischt wurde. Wir fragen also: Was hat es damit auf sich? Stephan erklärt uns, dass Lehm streng genommen ein Bindemittel ist – ähnlich wie Kalk und Zement. Reiner Lehm würde durch das Austrocknen aufreißen und dämmt auch eher schlecht. Wenn man auch heutzutage ökologisch bauen will, nimmt man also Sand und Naturfasern dazu. Strohhäcksel beispielsweise geben dem Lehmprodukt eine gewisse Zugfestigkeit.
Bei größeren Anteilen an Strohhäckseln oder Blähton bzw. Sägespänen verbessert sich die Dämmeigenschaft des Lehmgemischs erheblich. Gerade bei Fachwerkhäusern hat man daher viel mit solchen Gemischen gearbeitet.
- "Fachwerkhäuser waren sozusagen die Niedrigenergiehäuser des Mittelalters."
Hat Lehm im modernen Bauen eine Zukunft?
Hier sagt Stephan ganz klar: Ja! Und er erklärt uns auch, wieso. Gerade die guten Eigenschaften für das Raumklima machen Lehm als Baustoff so einzigartig. Ob im Bad oder im Schlafzimmer: "Veratmete" Luft, anlaufende Fenster und Fliesen sowie Schimmel haben hier gar nicht erst eine Chance. Lehmputz nimmt Feuchtigkeit sehr zuverlässig und in großen Mengen auf, eh er sie über Stunden hinweg langsam wieder abgibt.
Selbst, wenn durch Stoßlüften trockene Luft ins Innere strömt, gleicht Lehm das wieder auf eine gesunde relative Luftfeuchte aus, indem er die gespeicherte Feuchtigkeit nach und nach abgibt. So bleibt das Raumklima durchgehend angenehm – in gewissen Grenzen also eine natürliche Klimaanlage. Gerade in Wohnhäusern, Schulen oder Verwaltungs- und Bürogebäuden eignet sich Lehm daher für den Innenausbau.
Lehmprodukte kosten lediglich etwas mehr als herkömmliche Baustoffe. Höher dagegen ist der Verarbeitungsaufwand. Schließlich braucht ein Lehmgemisch etwas länger, um zu trocknen. Vermutlich, davon geht Stephan aus, gibt es daher aktuell eher wenige Firmen, die Lehmputz oder ähnliche Lehmprodukte anbieten. Gerade im Hinblick auf Ökologie und Nachhaltigkeit wird der Trend aber sicher in diese Richtung gehen. Auch für größere Objekte wird Lehm daher mit Sicherheit immer wichtiger.
Stephan würde sich wünschen, dass es auch für ökologische Baustoffe wie Lehm als Innenputz Förderungen vom Staat geben würde. Schließlich muss Lehm nicht gebrannt werden. Hier werden also keine fossilen Energien verwendet und es entsteht kein oder nur sehr wenig CO2.
Was er im Bauen vor allem kritisch betrachtet, ist die Rückbaubarkeit und Entsorgung. Lehm und andere ökologische Baustoffe haben da gegenüber Zement und Kunststoffen einfach den großen Vorteil, dass sie recycelbar sind. Beispielsweise sieht er im Umbau von Bestandsbauten mittels ökologischer Materialien großes Potenzial. Dem können wir uns voll und ganz anschließen!
Stephan, was ist dein Lieblingsbauwerk?
Wie jedem unserer Gäste stellen wir auch Stephan zum Schluss die Frage, welches Bauwerk ihn besonders beeindruckt. Einen Lehmbau nennt er uns nicht. Dafür hat er ein anderes sehr interessantes Bauwerk im Blick.
- "Da gibt es in Helsinki die Felsenkirche. Das ist ein total cooles Gebäude, so in den Felsen reingebaut."
Eine wirklich sehr schöne Wahl, die wir absolut nachvollziehen können. Vielen Dank, dass du bei uns zu Gast warst!